Nach dem zweiten Wochenende der Formel-1-Saison sieht Max Verstappen seinen Red-Bull-Rennstall nur als vierte Kraft. Er fordert Verbesserungen. Die will auch Teamkollege Liam Lawson dringend liefern. Er muss jedoch fürchten, schon jetzt sein Cockpit zu verlieren.
Liam Lawson ist wahrlich nicht zu beneiden. Während Max Verstappen an den ersten beiden Wochenenden der neuen Formel-1-Saison schon 36 Punkte gesammelt hat, steht der Neuseeländer im zweiten Red Bull noch immer bei null. Verstappen ist WM-Zweiter, Lawson am Ende des Feldes. Nicht nur in der Fahrerwertung: In China landet er in den Qualifyings für Sprint und Rennen jeweils auf dem 20. und letzten Platz. Sein niederländischer Stallgefährte fährt in Melbourne und Shanghai immer vorne mit, Lawson dagegen selbst den Mittelfeldteams hinterher.
Wegen dieser gewaltigen Diskrepanz steht der 23-Jährige schon jetzt vor dem Aus bei Red Bull. Ein Fahrerwechsel bereits zum dritten Saisonrennen, dem Großen Preis von Japan am ersten April-Wochenende, ist erstaunlich wahrscheinlich geworden. "Es ist nicht das, was wir uns erwartet haben", sagte der mächtige Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko am Sky-Mikrofon über Lawsons Leistungen, die das Team "in Ruhe analysieren" werde. In seiner gewohnt deutlichen Art sagte der 81-Jährige auch, dass der Brausegigant über Alternativen verfüge: "Wir haben ja einige, die sich empfehlen, Gott sei Dank sind wir gut aufgestellt."
Damit dürfte Yuki Tsunoda gemeint sein, der im kleineren der beiden Red-Bull-Teams auf sich aufmerksam macht. Er war zum Ende der Vorsaison gemeinsam mit Lawson für die Racing Bulls angetreten und hatte im Duell um die Nachfolge des geschassten Sergio Perez das Nachsehen. In Australien glänzte Tsunoda als Quali-Fünfter, in China kam er im Sprint als Sechster vor den deutlich höher eingeschätzten Kimi Antonelli im Mercedes und WM-Spitzenreiter Lando Norris im McLaren ins Ziel.
Tsunoda-Ansage und Krisensitzung
Der Japaner scheint aber nicht nur in der Form seines Lebens zu sein. Angesprochen darauf, ob er zu seinem Heimrennen in Suzuka gerne ins Red-Bull-Team aufsteigen würde, sagte er: "Japan? Ja, zu 100 Prozent. Ich glaube, das Auto ist schneller." Ambitionen, die Lawson zwar mit "das ist mir ehrlich gesagt egal" und "er kann sagen, was er möchte", abzutun versuchte. Die er jedoch auch mit dem Hinweis konterte, Tsunoda "in den Nachwuchskategorien und auch in der Formel 1 geschlagen" zu haben.
Sätze, die auch Ausdruck der nächsten Enttäuschung gewesen sein dürften, die Lawson in seinem RB21 erlebt hatte. Der Red-Bull-Bolide "hat ein sehr schmales Arbeitsfenster", sagte er, das Verstappen deutlich besser trifft: "Max schafft es, genau in diesem Fenster zu fahren, das Limit überall zu spüren und sich damit wohlzufühlen." Damit beschreibt er zugleich ziemlich exakt, woran seit Jahren alle Teamkollegen des vierfachen Weltmeisters zu scheitern scheinen. Daniel Ricciardo, Alexander Albon, Pierre Gasly, Sergio Perez - sie alle schafften es nicht, neben Verstappen dauerhaft auf einem Level zu fahren, das Red Bull zufriedenstellte.
"Das ist etwas, woran ich noch arbeite", sagte deshalb auch Lawson in China. Ob er dazu allerdings noch Gelegenheit bekommt, ist fraglich. Red Bull hat bereits eine Krisensitzung einberufen, in der es um die Fahrerpaarung einerseits und die Defizite des Autos andererseits gehen soll. "Wir sind besorgt, aber es ist nicht so, dass wir die Flinte schon ins Korn werfen würden", sagte Marko, was allerdings nach 2 von 24 Rennwochenenden auch niemand vermutet hätte. Bis signifikante Verbesserungen erreicht seien, müsse es das Ziel, "so viele Punkte wie möglich mitzunehmen".
Was steht eigentlich im Vertrag von Max Verstappen?
Denn während Verstappen in der Fahrer-WM als Zweiter (36 Punkte) hinter Lando Norris (44) und vor George Russell (35) und Oscar Piastri (34) vorne dabei ist, droht Red Bull in Konstrukteurswertung bereits jetzt den Anschluss zu verlieren. Denn für McLaren (78) und Mercedes (57) haben bislang jeweils beide Piloten bei allen Gelegenheiten gepunktet, während Lawson für drei Red-Bull-Nullnummern sorgte. "Wir müssen uns verbessern", resümierte Verstappen, dessen scheinbare Unbesiegbarkeit aus 2022 (15 Siege in 22 Rennen) und 2023 (19 in 22) endgültig Vergangenheit ist. Nur zwei der jüngsten 16 Grands Prix hat der Niederländer gewonnen, der sein Team "derzeit als Nummer vier" einsortiert, also auch noch hinter Ferrari.
Eine Situation, in der es umso mehr auf den Fahrer ankommt, aus offenbar begrenzten Möglichkeiten das Beste herauszuholen. Das macht die Herausforderung für Lawson nur noch größer. Gerade in einem Auto, das schwer zu beherrschen ist und keine Fehler verzeiht. Als "natürlich extrem hart", fasste er deshalb auch seine Lage zusammen, "das macht mir keinen Spaß" und er sei höchst bemüht, "die Situation in den Griff zu bekommen".
Es könnte allerdings schon zu spät dafür sein. Dann nämlich, wenn Red Bull ihm tatsächlich nicht mehr zutrauen sollte, an Verstappens Seite bestehen zu können. Wobei das stetige Scheitern im zweiten RB auch die Frage aufwirft, ob sich das Team nicht verrannt hat in seiner Herangehensweise. Schließlich klagte auch Verstappen zuletzt immer wieder über die Performance des Autos.
Sollte sich diese nicht bessern, sind nicht nur die Saisonziele in Gefahr - sondern auch die Zukunft Verstappens bei Red Bull. "Der Max möchte ein Auto haben, mit dem er gewinnen kann", sagte Marko: "Und wenn wir ihm das nicht hinstellen können - denn es gibt natürlich auch Performance-Klauseln - dann wird es schwierig werden." Welche Anforderungen für einen vorzeitigen Ausstieg aus dem bis 2028 geschlossenen Vertrag gelten, ist nicht bekannt. Deren Erfüllung wäre aber in jedem Fall der Super-GAU für Red Bull. Aber das ist ein anderes Thema. Eines, das Liam Lawson gerade herzlich egal sein dürfte.
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