Gerhard Struber ist seit dem Sommer Trainer des 1. FC Köln. Der Österreicher liegt mit dem Traditionsverein in der 2. Bundesliga auf Aufstiegskurs. Dabei war Struber im Herbst, als die Kölner auf Rang elf abgerutscht waren, als Pragmatiker gefragt. An der Domstadt schätzt der 48-Jährige gleich mehrere Dinge.
Frage: Herr Struber, in Köln herrscht am Montag Ausnahmezustand: Welches Kostüm tragen Sie an Rosenmontag?
Gerhard Struber: Ich bin hin- und hergerissen zwischen Cowboy, Zorro und Indianer. Ich mag das Traditionelle. Aber vielleicht wird es auch der Batman. Oder Robin. Ich überrasche mich selbst (lacht herzlich).
Frage: Wie es scheint, haben Sie Spaß am Karneval.
Struber: Es ist eine lustige Zeit. Ich kenne aus Österreich den Fasching und hier in Köln geht noch viel mehr ab. Das sollten wir genießen und zusammen Gaudi machen. Auch mit der Mannschaft, man darf bei aller Ernsthaftigkeit nicht vergessen: Wir alle haben nur ein Leben.
Frage: Sie sind acht Monate beim FC. Kommt es Ihnen vor, als herrsche immer die närrische Zeit, weil der Klub so lebendig ist?
Struber: Lebendig – das trifft es. Der FC ist ein Verein, der extrem emotionalisiert. Die Menschen in der Stadt sind dem Verein sehr nah. Ein Beispiel: Vor diesem Interview hier im Stadtzentrum hatte ich einen Termin ein paar Häuser weiter. Auf den 100 Metern kamen mehrere Menschen, um ein Foto zu machen. Als ich Trainer in New York war, habe ich im ganzen Jahr geschätzt zwei oder drei Fotos mit Fans auf der Straße gemacht. Dabei ist New York auch eine echte Sport-Stadt. Aber es stehen Baseball, Basketball, Football und Eishockey im Mittelpunkt. In Köln ist der FC ein Hauptdarsteller.
Frage: Sind der Druck und die Erwartung dadurch größer?
Struber: Die Menschen sagen dir: „Du machst das.“ Aber sie erwarten auch, dass du es machst. Als ich im vergangenen Sommer hier unterschrieben habe, wusste ich: Du hast einen Zweijahres-Auftrag und musst aufsteigen. Besser im ersten Jahr. Dazu haben wir uns bekannt. Ich glaube, dass ich durch meine Erfahrung mit dem Druck gut umgehen kann, dass ich klar entscheiden und die Dinge ganz gut einschätzen kann. Was ich weiß: Die Mannschaft zieht gut mit und glaubt an unsere Mission.
Frage: Wie lautet die genau? Aufstieg sofort?
Struber: Wir haben mit der Mannschaft ein klares Ziel: Wir stellen jedes einzelne Spiel auf das höchste Podest. So arbeiten wir jeden Spieltag ab. Den Aufstiegs-Rucksack setze ich der Mannschaft nicht auf.
Frage: Warum nicht?
Struber: Ich muss sehen, was war: Es gab eine Transfersperre, den Abstieg im letzten Jahr – das macht etwas mit den Burschen. Wir sind noch immer auf dem Weg, uns aus dieser Situation zu befreien.
Frage: Sie stehen auf Platz eins.
Struber: Das heißt aber nicht, dass wir sagen können: „Jetzt steigen wir auf.“ Dieses Selbstverständnis ist bisher nicht zu 100 Prozent da. Und wir sind auch nicht allein mit dem Anspruch, wieder in der Ersten Liga zu spielen.
Frage: Von außen betrachtet haben Sie den besten Kader der Liga und ihre Mannschaft die stärkste Mentalität, was an den vielen Siegen mit einem Tor Unterschied zu erkennen ist. Teilen Sie den Eindruck?
Struber: Wir haben wahrscheinlich den interessantesten Kader der Liga. Was die Mentalität betrifft: Wir haben uns wirklich gestreckt und Themen aus der Vergangenheit schon gut abgeschüttelt. Unser Lauf im Herbst hat uns eine breite Brust gegeben. Ich meine nicht nur das Selbstvertrauen, sondern auch das Selbstverständnis für den Erfolg. Wir haben eine große Stabilität, sind schwer zu bezwingen. Gleichzeitig wissen wir, dass wir uns weiterentwickeln müssen, um in der Schlussphase der Saison unberechenbar zu sein.
Frage: Stichwort Entwicklung: Wie wurden aus den Sturm-Talenten Tim Lemperle und Damion Downs in dieser Saison zwei Top-Torjäger der Liga?
Struber: Indem wir ihnen viel Vertrauen und Spielzeit gegeben haben. Wir versuchen sie so einzusetzen, dass sie ihre Stärken voll ausspielen können. Aber das ist nicht alles. Nehmen wir Damion Downs: Der hatte bis zum Sommer kaum Profi-Luft geschnuppert. Jetzt lastet der Druck auf ihm, dass er uns nach oben schießen soll. Er hat gezeigt, dass er mental sehr reif ist.
Frage: Er ist mit neun Treffern der torgefährlichste FC-Spieler. Haben Sie schon mal einen Spieler mit einem ähnlich guten Abschluss trainiert?
Struber: In der Red-Bull-Welt habe ich viele hochbegabte Spieler gesehen. Ich habe Haaland nicht trainiert, aber verfolgt, einen Szoboszlai, einen Minamino. Wenn ich mir von Damion den Abschluss anschaue und sein ganzes Profil sehe, ist klar, dass er ein ganz spannender Spieler für die Zukunft ist. Einer, der sicher auch irgendwann für die deutsche Nationalmannschaft auf Torejagd geht.
Frage: Im Herbst haben Sie die Mannschaft komplett umgebaut, nachdem Köln auf Platz elf abgestürzt und der Druck groß war. Sie haben das Ergebnis über die kreative Spielidee gestellt. Wie schwer ist Ihnen das gefallen?
Struber: Da bin ich Pragmatiker. Wir haben erkannt, dass wir mit dem attraktiven Hurra-Fußball nicht zu Punkten kommen. Für mich ging es darum: Was kann ich der Mannschaft geben, damit wir schnell Siege einfahren? Es war wichtig, die richtigen Knöpfe zu drücken.
Frage: Seitdem spielt der FC stabil, meist dominant, weniger kreativ und attraktiv. Gefällt Ihnen der Fußball überhaupt?
Struber: Stabilität ist nicht immer sexy, gibt uns aber Vertrauen und Glauben. Ich kann supergut damit leben, wie wir im Moment spielen. Trotzdem weiß ich, dass wir für unser Publikum zu Hause wieder attraktiver werden wollen.
Frage: Sie haben gerade davon gesprochen, was nicht „sexy“ ist. „Sexy“ scheint ein wichtiges Wort für Sie zu sein. Sie nutzen es häufig, wenn es um die Spielweise geht. Und sie sagten, dass alles sexy sei, wenn man aufsteigt.
Struber: Das Wort trifft oft den Nagel auf den Kopf. Warum gehen die Fans ins Stadion? Sie wollen Siege sehen und Entertainment erleben. Momentan ist unser Entertainment nicht auf dem höchsten Level ausgeprägt. Dafür holen wir Punkte. Ich will dahin kommen, dass wir einen sauberen, attraktiven Fußball spielen, der unberechenbar ist, überraschend und erfolgreich. Das ist sexy.
Frage: Sie erklären das mit viel Leidenschaft. Verbindet Sie das mit Ralf Rangnick, der für genau diesen Fußball steht und mit dem Sie bei Red Bull zusammengearbeitet haben?
Struber: Was mir bei Ralf so gut gefällt: Er hat die Begabung, die Dinge schnell auf den Punkt zu bringen. Er weiß genau, was er will. Und ich behaupte: Das weiß ich auch. Ich weiß, wie ich zu meinem Ergebnis komme.
Frage: Vor dem 1:1 im Derby gegen Düsseldorf lief es nicht so rund. Was müssen Sie ändern?
Struber: Für uns geht es darum, dass wir als Mannschaft wieder die Dynamik erreichen, die wir im Herbst hatten. Dabei geht es nicht allein um die technischen und taktischen Angelegenheiten, sondern auch um die mentalen. Der Standort ist nicht für jeden Spieler einfach. Im Gegenteil. Köln ist ein anderer Planet. Auf dem musst du dich – besonders als neuer Spieler– erst einmal zurechtfinden.
Frage: Welchen Stellenwert haben aus genau diesem Grund Torwart Marvin Schwäbe und Verteidiger Dominique Heintz? Die beiden erfahrenen Spieler sind seit Ihrer Umstellung im Herbst gesetzt.
Struber: Sie sind sehr wichtig, weil sie vorangehen. Sie bleiben auch dann locker, wenn es stürmisch wird. Sie werden nicht zum emotionalen Passagier. Es ist wichtig, dass wir in unserem Cockpit klar bleiben und wissen, wo die richtigen Knöpfe sind – damit unser Flugzeug dort landet, wo wir hinwollen. Dass es dabei mal turbulenter wird zwischendurch, ist nicht überraschend.
Frage: Um im Bild zu bleiben: Die Landebahn ist die Bundesliga, oder?
Struber: Ja, (kurze Pause) wir haben an jedem Spieltag eine Zwischenlandung. Die müssen wir sauber hinbekommen. Am Ende sehen wir, an welchem Gate wir herauskommen.
Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) erstellt und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.
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