Ihren großen Auftritt hat Lise Klaveness 2022 als sie Gianni Infantino und die FIFA öffentlich kritisiert. Ihrer Funktionärskarriere schadet das. Dennoch steigt sie jetzt ins Exekutivkomitee der UEFA ein.

Lise Klaveness hat es in das UEFA-Exekutivkomitee geschafft. Die Präsidentin des norwegischen Fußballverbands ist jetzt da, wo sie schon vor zwei Jahren sein wollte. Drin im Machtapparat der Europäischen Fußball-Union. Der Weg aber ist einer, den sie eigentlich gar nicht einschlagen wollte.

Es ist nämlich der über den Quotenplatz. Erstmals gehören zwei Frauen dem UEFA-Exekutivkomitee an. Das hat sich die UEFA mit einer Regeländerung 2024 selbst verordnet. Bei der Wahl im Rahmen des UEFA-Kongresses in Belgrad musste neben der bereits 2023 über die Quote eingezogenen Waliserin Laura McAllister eine weitere Frau gewählt werden. Klaveness hatte keine Gegenkandidatin. Erst 2012 wurde übrigens die erste Frau in die UEFA-Exekutive berufen: Karen Espelund, wie Klaveness eine frühere norwegische Fußballerin.

2023 hatte Klaveness es über den regulären Weg versucht. Sie wollte die erste Frau sein, die sich gegen Männer durchsetzt. Doch ihr Vorhaben scheiterte. Nur 18 von 55 Stimmen konnte sie sammeln. Weil die Funktionärsetage eine Männer-dominierte Einheit ist. Und weil Klaveness sich da bereits als kritische Stimme im Weltfußball etabliert hatte. Das kommt bei den sich gegenseitig protektierenden Funktionären nicht gut an. Die 43-Jährige scheut nicht, FIFA-Präsident Gianni Infantino öffentlich zu kritisieren.

So wie 2022 beim FIFA-Kongress in Doha. Dort hatte sie mit WM-Gastgeber Katar und dem Weltfußballverband abgerechnet. Sie hatte die Vergabe der WM 2022 an Katar gerügt. Sie hatte zu Veränderungen im Umgang mit Menschenrechten und Diversität aufgefordert. Sie hatte fehlende Transparenz und die Abkehr von ethischen Grundprinzipien im Weltfußball angeprangert. DFB-Präsident Bernd Neuendorf begrüßte die kritische Rede zwar, schwieg selbst aber. Denn: Es ist selten, dass eine Person mit Funktionsamt derartige Kritik öffentlich äußert.

Jurastudium während der Fußballkarriere

Doch dieser Mut wurde ihr dann ein Jahr später bei der UEFA-Wahl zum Verhängnis. Klaveness sagte jetzt rückblickend dem "Blick": "Natürlich ist das nicht überall nur gut angekommen. Das ist uns im Vorfeld bewusst gewesen. Aber wir haben es für nötig gehalten, das Thema Menschenrechte in den Fokus zu rücken." Schon die gemeinsame Bewerbung von Norwegen mit Dänemark, Schweden und Finnland für die EM 2025 der Frauen war zuvor gegen die der Schweiz unterlegen. Auch hier sei die Personalie Klaveness ausschlaggebend gewesen, hieß es.

"Ich werde 2025 nochmal antreten", hatte sie nach ihrer Wahl-Niederlage 2023 der ARD-"Sportschau" gesagt: "Ich hoffe, dass es dann kein Thema mehr ist, dass eine Frau zur Wahl steht. Ich habe viele Nachrichten von Mädchen und Frauen bekommen, die repräsentiert werden wollen."

Noch während ihrer aktiven Karriere studierte sie Jura. Auch aus der Not heraus, wie sie im Juni 2023 im Interview mit ntv.de sagte: "Während meiner Zeit als Spielerin waren das bestenfalls semiprofessionelle Strukturen. Ich musste mir ein Standbein als Anwältin aufbauen, um nach der Karriere noch etwas zu haben." Später arbeitete sie als Richterin und in einer Anwaltskanzlei. Dann wechselte Klaveness in die Rechtsabteilung der norwegischen Zentralbank. Nebenher kommentierte sie Fußballspiele im norwegischen Rundfunk. Ausgebildete Juristin und Fußball-Verstand: Das ebnete den Weg: 2018 übernahm sie die Abteilungsleitung des norwegischen Profifußballs.

2022 stieg sie zur Präsidentin des NFF auf. Als erste Frau. Das ist für den Verband aber gar nicht relevant, so Pal Bjerketvedt, Generalsekretär des NFF: "Wir haben jemanden gesucht, der unseren Verband analytisch, strategisch und mit Lust an der Verantwortung voranbringt. Mit Lise haben wir die Beste dafür gefunden."

Mahnerin im Komitee?

Fokus auf den Sport, aber auch auf Werte - dafür steht Klaveness. Fußball sollte "ein Platz sein, wo rechte und linke Flügelspieler gleichzeitig spielen können, im eigentlichen und im politischen Sinne. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir nicht selbst zu Aktivisten werden", sagte sie mal dem "Guardian".

Sie dürfte das Komitee also als Mahnerin aufmischen. Kurz vor der Wahl sagte sie der "Deutschen Welle": Grundsätzliche Werte stünden auf dem Spiel. "Das ist nicht nur eine Schlagzeile der Medien. Das europäische Sportmodell steht heute unter Druck, mehr Druck als je zuvor. Und wenn wir es mögen, wenn wir diese Demokratie im Sport erhalten wollen, müssen wir bereit sein, dafür zu streiten, darüber zu reden und Druck auszuüben."

Druck also auch gegen die FIFA, so ist das zu lesen. Dort, wo der Präsident wieder einmal im Alleingang vorpreschte. Nach den Männer-Weltmeisterschaft 2030 und 2034 verkündete er an diesem Donnerstag ein Jahr vor der offiziellen Abstimmung 2026 frei heraus, dass die Weltmeisterschaften 2031 und 2035 der Frauen an die USA sowie das Vereinigte Königreich vergeben sind. Dies erzählte er bei eben diesem gerade stattfindenden UEFA-Kongress, wo er als Gast geladen war.

Gegenentwurf zu Infantino

Der Mann, der mit den Größen aus der Politik kuschelt. Mit US-Präsident Donald Trump, mit Kronprinz Mohammed bin Salman, dem Premierminister von Saudi-Arabien. Dagegen also Klaveness, aufgewachsen im norwegischen Westen, in der Gemeinde Meland. Anders als Infantino tritt sie für Integrität und Demokratie ein. Auch wenn sie als seine Kritikerin auftritt, sagte sie dem "Blick": "Ich versuche, mit meiner Kritik nie persönlich zu werden. Ich bin selbst eine gewählte Führungskraft. Ich habe darum großen Respekt vor den gewählten Führungskräften der FIFA." Sie betont, sich auf das Reglement zu konzentrieren, bezeichnet sich als "eher prinzipientreu als mutig". "Wir können uns zum Beispiel kulturell oder auch religiös nicht über alles einigen und das werden wir auch nie. Aber wir können uns auf die Statuten einigen."

Anders als Infantino war Klaveness Profifußballerin. Als 16-Jährige wurde sie erstmals zur Jugendnationalmannschaft berufen, später schaffte sie den Sprung zu den Profis. Mit Stabaek Fotball Kvinner gewann sie Pokal und Meisterschaft - und das Herz ihrer heutigen Ehefrau Ingrid Camilla Fosse Saethre, mit der sie drei Kinder hat. Sie war 2010 Torschützenkönigin in Norwegens höchster Spielklasse und Norwegens Spielerin des Jahres. 73-mal spielte sie zwischen 2002 und 2011 für Norwegen. 2005 stand sie im EM-Finale, wo Norwegen 1:3 gegen die Seriensiegerinnen aus Deutschland verlor. Durch ihr Geschlecht und ihre eigene Karriere kennt sie sich natürlich besser aus im Fußball der Frauen. Auch auf diesen dürfte sie ihren Fokus richten. Gegenüber ntv.de sagte sie: "Es sind die Strukturen der Männer, in denen der Fußball sich weiterbewegt. Wir müssen doch nur in die Führungsetagen schauen. Dort gibt es keine Frauen. Deswegen ist es klar, dass es dort eine reaktive Arbeitsweise gibt."

Ein anderes Mal verwies sie auf Unterschiede zwischen den Geschlechtern, Leistungsbedingungen, Physiologie, auch das Thema Schwangerschaft. Bei ntv.de forderte sie: "Es gibt nicht mehr nur einen Markt für den Fußball der Männer. Wir müssen in den neuen Markt investieren."

Ein Thema, das noch immer noch nicht von allen gern unterstützt wird. Klaveness wird Gegenwind spüren. Auch, weil sie weiter nicht ruht, mit unpopulären Themen anzuecken. Im Dezember 2024 äußerte sie sich kritisch, als Norwegens Männer in eine WM-Qualifikationsgruppe mit Israel gelost worden waren. "Es ist über den rein sportlichen Aspekt hinaus schwierig für uns", sagte Klaveness. "Keiner von uns kann angesichts der unverhältnismäßigen Angriffe Israels auf die Zivilbevölkerung Gazas gleichgültig bleiben." Auf Nachfragen zu einem möglichen Boykott sagte sie: Ihr Team spielt - das Hinspiel am 25. März gewannen die Norweger um Erling Haaland mit 4:2. "Das heißt aber nicht, dass wir nicht für unsere Grundwerte kämpfen sollten."

Klaveness ist da, wo sie seit Jahren hinwill. Sie hat ihr Ziel erreicht - und viele weitere im Blick. Ausruhen wird sie sich sicherlich nicht. Zu groß sind ihre Ansprüche. Aber auch die Machtkämpfe werden nicht ruhen.

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