Immer wieder schlug er sich die Hände vors Gesicht, verharrte kurz und wischte sich Tränen aus den Augen. Nathan Aspinall schüttelte den Kopf und wanderte bis ans Ende der Bühne, um irgendwie ein wenig Privatsphäre zu finden, während die 3500 Fans in der Göttinger Lokhalle nicht aufhörten, ihren Liebling des Wochenendes zu feiern.
Der Engländer hatte am Sonntag mit dem 8:4 im Finale gegen seinen Landsmann Ryan Joyce nicht nur die European Darts Trophy gewonnen. Dieser Sieg war größer, wie schon seine unmittelbare Reaktion verdeutlichte. Nachdem sein letzter Pfeil in der Doppel-12 gelandet war, ging er auf die Knie und berührte mit dem Kopf den Boden. Ein Bild des Demuts, des Dankes und Glaubens.
„Für mich persönlich waren es...“, sagte Aspinall wenig später im Siegerinterview auf der Bühne und schob eine Frage ein, ehe er seinen begonnenen Satz beendete: „Darf ich fluchen? Es waren ein paar Scheißjahre. Und das ist das, was ich gebraucht habe. Ich brauchte einen großen Sieg, um wieder an mich glauben zu können. Ich bin immer noch gut genug, um mit diesen Jungs mithalten zu können. Das hier bedeutet mir sehr viel.“
Aspinall arbeitet mit Hypnose
Hinter dem 33-Jährigen liegt eine schwierige Zeit. Verletzungen, vor allem aber die heimtückische Dartitis, hatten ihm das Leben auf der Tour schwer gemacht und seine hoffnungsvolle Karriere ausgebremst. 2020 gewann er als zweimaliger WM-Halbfinalist die UK Open, 2023 das World Matchplay. Dann stellten sich die Probleme ein. Am Jahresende 2023 schaffte er es nicht einmal mehr unter die 64 besten Spieler für die Players Championship Finals, 2024 verpasste er den Grand Slam of Darts. Bei den Weltmeisterschaften 2021, 2022, 2023 und 2024 war stets spätestens in Runde drei Schluss gewesen.
Erst die Zusammenarbeit mit einem Mentalcoach und einem Hypnotiseur schien ihn vor etwa einem halben Jahr wieder in die Erfolgsspur gebracht zu haben. Zwar sind seine Probleme am Oche immer noch deutlich sichtbar – ständig muss er bei seinem Wurf ab- und wieder neu ansetzen –, doch er hat gelernt, mit den Dämonen umzugehen.
Unter Dartitis ist in der Branche ein Zustand der Nervosität zu verstehen, der einen Spieler davon abhält, den Dart während des Wurfs zum richtigen Zeitpunkt loszulassen. Insofern sind Aspinalls jüngste Erfolge gleich in doppelter Hinsicht beeindruckend.
„Für mich persönlich ist das hier, aufgrund meiner letzten Jahre mit Verletzungen und Dartitis, der stolzeste Moment meiner Karriere. Größer als das World Matchplay und größer als die UK Open, weil ich in den vergangenen zwei Jahren so viel durchgemacht habe“, sagte Aspinall.
Für ihn ist es nach zehn Jahren auf der European Tour überhaupt der erste Titel, der ihn in der Order of Merit auch wieder in die Top 8 zurückkehren lässt und viel Zuversicht für die kommenden Aufgaben geben dürfte.
Sportlich werden ihm von diesem European-Tour-Wochenende vor allem seine spektakulären Siege über den Weltranglistenersten Luke Humphries im Viertelfinale (6:1) und das Halbfinale gegen Gary Anderson in bester Erinnerung bleiben. Aspinall lag gegen den Schotten bereits mit 4:6 hinten, stellte in 14 Darts zunächst auf 5:6 und stand bei 170 Punkten Rest mit dem Rücken zur Wand. Angesichts von 40 Punkten bei Anderson musste er das größtmögliche Finish spielen, um das Aus zu vermeiden. „Die 170 gegen Gary war unglaublich“, sagte er später. Aspinall checkte das Maximum Finish und zog mit dem 7:6 ins Finale ein. „Ich habe mir danach gesagt: Wenn ich das jetzt nicht auch gewinne, werde ich niemals ein European-Tour-Turnier gewinnen.“
Aspinall kündigte an, im kommenden Jahr wiederzukommen, um seinen Titel zu verteidigen. Dennoch mussten die Fans nicht zwölf Monate auf ein Wiedersehen warten. „Leute, ihr wart hier so großartig zu mir. Wirklich unglaublich. Wer später an der Bar Lust auf ein Bier hat – ihr seid alle eingeladen.“
Eurioean Darts Trophy, Ergebnisse
Viertelfinale
Cameron Menzies (SCO) – Ryan Joyce (ENG) 3:6
Gerwyn Price (WAL) – Michael van Gerwen (NED) 4:6
Ross Smith (ENG) – Gary Anderson (SCO) 5:6
Nathan Aspinall (ENG) – Luke Humphries (ENG) 6:1
Halbfinale
Ryan Joyce (ENG) – Michael van Gerwen (NED) 7:5
Gary Anderson (SCO) – Nathan Aspinall (ENG) 6:7
Finale
Ryan Joyce (ENG) – Nathan Aspinall (ENG) 4:8
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