Kein Jubel, nicht mal ein Lächeln huschte über das Gesicht von Franziska Preuß, als sie im letzten Biathlon-Rennen des Winters als Erste den Zielstrich überquerte und damit die beste Saison ihrer Karriere mit dem größten Erfolg ihrer Laufbahn krönte: dem Sieg im Gesamtweltcup. Kurz nach der 31-Jährigen kam die Französin Lou Jeanmonnot als Dritte ins Ziel und fiel frustriert und traurig in den Schnee. Preuß eilte sofort zu ihr, umarmte und tröstete sie. Wenig später gingen sie gemeinsam mit der Tages-Zweiten Elvira Öberg (Schweden) auf eine Ehrenrunde, aber wirklich freuen konnte sich die Deutsche immer noch nicht. Danach weinte sie.
Dann doch aus Freude? Es schwer zu erkennen. Womöglich war es ein Schwall an unterschiedlichen Emotionen, der da herauswollte nach einem aufreibenden Winter, aber vor allem einem denkwürdigen Finale. Denn die letzten Minuten des Massenstartrennens waren an Dramatik nicht zu überbieten gewesen: Der Kampf um den Gesamtweltcup sollte nach vier Monaten erst auf den letzten Metern entschieden werden, und dann stürzte Jeanmonnot auch noch. Und zwar in einem Moment, als die beiden Konkurrentinnen dicht an dicht in eine Kurve gingen; die Deutsche außen, die Französin innen. Öberg lag ein kleines Stück zurück, der Weg für Preuß war frei.
So aber wollte sie nicht gewinnen. Deshalb kein Jubel, kein Schrei im Ziel. Und nur wenig später stand fest: Die Franzosen legen Protest ein. Eine Jury hatte das letzte Wort über den Sieg im Gesamtweltcup. Einige Minuten später aber folgte die Kehrtwende: Der Protest wurde ohne Jury-Entscheidung zurückgezogen. Somit stand Franziska Preuß endgültig als sechste deutsche Gesamtweltcupsiegerin fest. „Es war alles in Ordnung von Franziska“, sagte Jeanmonnot in der ARD, „der Sturz war mein eigener Fehler.“
Und dennoch. „Es war irgendwie blöd, das so zu gewinnen. Ich hätte es lieber auf der Zielgeraden ausgetragen“, sagte Preuß. „Es war spannend bis zum Schluss, ein kranker Kampf. Einfach irre.“ Und Sportdirektor Felix Bitterling vom Deutschen Skiverband ergänzte: „Es ist schade, dass es so entschieden worden ist. Aber wir freuen uns wahnsinnig, dass das geklappt hat. Krasser kann man Drama nicht schreiben.“
Fünf Zähler lagen zwischen ihnen vor dem Massenstart
Mit nur 20 Zählern Vorsprung auf Jeanmonnot war Preuß in das letzte Wettkampf-Wochenende dieser Saison gegangen. Nach ihrem Sieg im Sprint am Freitag und Platz fünf in der Verfolgung am Samstag war sie aber ins Hintertreffen geraten und hatte das Gelbe Trikot an die Französin abtreten müssen. Jeanmonnot ging mit fünf Punkten Vorsprung in das letzte Rennen dieses Winters.
Ein Sieg beim Massenstart – und Preuß würde es ihr wieder abnehmen. Nach dem vierten Schießen starteten die beiden dann fast zeitgleich auf die letzte Runde. Nach einem langen Weltcupwinter, der Ende November 2024 begonnen hatte, kam es am letzten Tag der letzten Weltcupstation also zum ganz großen Finale, das durch den unglücklichen Sturz der Französin für keine Seite in spontanem Jubel endete. Erst etwas später mochte sich die Deutsche wirklich freuen und wurde von den Teamkollegen und ihrer Familie gefeiert.
Die große Kristallkugel steht für sie von der Wertigkeit noch über ihrem erst im Februar gewonnen ersten WM-Einzelgold, da der Gesamtweltcup die Ergebnisse der kompletten Saison widerspiegeln. „Das ist wirklich eine der größten Leistungen, die man erreichen kann“, hatte die Verfolgungs-Weltmeisterin schon vor einigen Wochen gesagt.
Ein sportlicher Traum ist noch offen
Vor Preuß konnten sich aus deutscher Sicht Martina Glagow (2002/03), Kati Wilhelm (2005/06), Andrea Henkel (2006/07), Magdalena Neuner (2007/08, 2009/10 und 2011/12) und Laura Dahlmeier (2016/17) den Gesamtweltcup sichern. Preuß schaffte es durch ihre beeindruckende Schießquote und die Konstanz von insgesamt 13 Podestplätzen in 21 Saisonrennen. Im Alter von 31 Jahren hat sie sich damit nach einer Karriere mit vielen Höhen und Tiefen sowie etlichen krankheitsbedingten Ausfällen zur besten Biathletin des Winters gekrönt.
Die Ziele aber gehen ihr nicht aus. Bei den Olympischen Winterspielen 2026 in Antholz möchte sich Franziska Preuß mit Gold ihren letzten sportlichen Traum erfüllen.
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