70 Jahre wartet Newcastle United auf einen nationalen Titel, auch für die englischen Trainer läuft eine schlimme Serie. Mit dem Sieg im Ligapokal der Magpies gegen den FC Liverpool enden lange Jahre des Wartens. Ein Märchen ist das nicht.
Newcastle United hat es mal wieder geschafft: Der vierfache englische Meister holt den Carabao-Cup. Gegen den FC Liverpool gewinnt das Team aus dem Nordosten Englands 2:1 (1:0) und darf endlich mal wieder einen Pokal in die Luft stemmen. Es ist für die Magpies ein großer Tag, auch wenn es im Milliardenzirkus Fußball deutlich größere Titel zu erringen gibt. Hauptsache, endlich mal wieder irgendwas in der Hand. Denn der letzte nationale Titel ist 70 Jahre her.
2:0 führte Newcastle nach Treffern von Dan Burn (45. Minute) und des ehemaligen Dortmunders Alexander Isak (52.), die mehr als 30.000 Fans der Magpies unter den 88.000 Zuschauern im ausverkauften Wembley-Stadium waren entsetzt, als die ewig lange Nachspielzeit angezeigt wurde: Acht Minuten gab es obendrauf - und dann traf Federico Chiesa auch noch zum Anschlusstreffer. 70 Jahre des Wartens kulminierten in bange Minuten des Zitterns, bis John Brooks ein letztes Mal zur Pfeife griff. Der Schlusspfiff des Schiedsrichters ging im Jubel und der sich entladenden Erleichterung unter.
"Tag, den niemand vergessen wird"
"Nach so langer Zeit des Wartens auf eine Trophäe wird dies ein Tag sein, den niemand vergessen wird", schwärmte Newcastle-Trainer Eddie Howe, schon durchnässt von einer Bierdusche. Fünfmal waren sie seit dem Triumph von 1955 für ein Pokalfinale nach Wembley, diese mythische Stätte des Fußballs, zurückgekehrt. Nie mehr brachten sie etwas mit nach Hause, erzielten sogar nur ein einziges Tor. Nun standen sie feiernd gemeinsam am Ende einer ewigen Durststrecke. Natürlich, 1968 hatten sie den Messepokal gewonnen, den inoffiziellen Vorgänger des UEFA-Cups. Aber internationale Titel haben auf der Insel eine geringere Strahlkraft als andernorts. Selbst in Jürgen Klopps Ära beim FC Liverpool wird der Champions-League-Triumph von 2019 deutlich von der Meisterschaft im Jahr darauf überstrahlt.
Den Ligapokal leistet sich der englische Fußball zusätzlich zum deutlich renommierteren FA-Cup. Es geht um eine Trophäe, die die großen Klubs, die nach dem Triumph in der Premier League streben, gerne mitnehmen. In den frühen Runden laufen häufig verstärkte B-Teams auf, ein Ausscheiden gilt keinesfalls als Tragödie. Für Newcastle United bedeutet der Triumph die Welt. "Das bedeutet alles für mich! Einen Pokal für diesen Verein zu gewinnen, ist alles, was ich je wollte", jubelte der Schweizer Nationalspieler Fabian Schär, natürlich im Wissen um das lange Leiden der Anhänger. "Ich weiß, wie viel das den Fans von Newcastle und allen, die uns unterstützen, bedeutet!"
Als Newcastle United 1955 nach einem Sieg über Manchester City den FA Cup gewinnt, sind die Magpies noch eine große Nummer im englischen Fußball: Die letzte Meisterschaft liegt zwar schon beinahe 30 Jahre zurück, doch in der ersten Hälfte der 50er holen sie dreimal den englischen Pokal. Als sie sich also damals in den Armen liegen, hat keiner geahnt, dass nun sieben Jahrzehnte des Leidens bevorstehen. Nun kam der ersehnte "Tag, an dem neue Legenden geboren werden", verkündete der "Guardian" eingedenk des Titels, der am Beginn einer neuen Ära stehen soll, pathetisch.
Kein Märchen
Ein Fußballmärchen oder gar eine wundersame Underdog-Geschichte ist der erlösende Triumph der Magpies freilich nicht, denn die gibt es spätestens seit dem sensationellen Meistertitel von Leicester City 2016 nicht mehr: Der 1881 aus der Taufe gehobene Traditionsverein Newcastle United, der erstmals 1905 englischer Meister wurde, gehört seit 2021 dem milliardenschweren saudi-arabischen Staatsfonds und hat sich längst auf den Weg in die elitäre Riege der englischen Megaklubs aufgemacht.
Der Einstieg des von Saudi-Arabiens umstrittenem Kronprinzen Mohammed bin Salman - der unter anderem für den Mord am Journalisten Jamal Khashoggi verantwortlich gemacht wird - geführten Staatsfonds PIF für umgerechnet 350 Millionen Euro hatte für heftige Kritik gesorgt. Aufgrund der vorherigen Bedenken wegen einer drohenden Wettbewerbsverzerrung hatten Newcastles neue Besitzer der Premier League garantieren müssen, dass der Klub nicht unter Saudi-Arabiens staatlicher Kontrolle stehen würde. Nun erntet man gemeinsam erste Früchte des Arrangements.
Howe, der 2021 nach dem Einstieg der Saudis installiert wurde, übernahm den Klub am Rande des Absturzes aus der Premier League, schaffte in der ersten Saison den Klassenerhalt und führte die Magpies später schon in die Champions League. Derzeit rangiert sein Team auf Platz sechs in der Liga.
Noch eine Horror-Serie, die endet
"Hoffentlich wird aus dem einen Titel mehr", sagte der Newcastle-Manager, der auch als Kandidat für den Nationaltrainer-Posten galt. "Es gibt zwar keine Garantie, aber ich denke, dass wir bewiesen haben, dass wir es schaffen können. Man bekommt nicht viele Chancen, man bekommt nicht viele Chancen in einem Pokalfinale. Heute mussten wir versuchen, unsere Chance zu nutzen, und das haben die Spieler unter Druck so gut und so eindrucksvoll getan. Die Herausforderung für uns besteht nun darin, dass wir versuchen müssen, öfter dorthin zu kommen." Durch den ersten nationalen Titel seit 70 Jahren hat Newcastle United die Qualifikation für die Conference League sicher. Dem eigenen Anspruch genügt das aber natürlich nicht.
Nicht ganz so lang wie Newcastles Ära des titellosen Leids, aber für die stolze Fußball-Nation England gleichfalls schmerzhaft, ist eine für die heimische Trainergilde demütigende Horror-Serie: Seit Harry Redknapp den Außenseiter FC Portsmouth 2008 zum Pokalsieg geführt hatte, durfte kein englischer Trainer mehr eine nennenswerte Trophäe in die Höhe recken. 48 Titel gingen seit "Harry Houdinis" Coup vor 17 Jahren in Serie an ausländische Trainer. José Mourinho, Pep Guardiola, Jürgen Klopp, sogar der bei Manchester United so glücklose Erik ten Hag oder der Nordire Brendan Rodgers - sie alle veredelten ihre Vita. Und die Engländer mussten zusehen, wie "ihre" Titel außer Landes geschafft wurden. Mit Eddie Howe ist auch dieser Bann gebrochen. Mit freundlicher Hilfe aus Saudi-Arabien.
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