Ein Klischee über die Generation Z hält sich hartnäckig: Die jungen Leute seien nicht leistungsbereit, so der Vorwurf. Die Faktenlage ist eine andere, sagt Arbeitsmarktforscher Enzo Weber im Gespräch mit ntv.de. Eine neue Personalpolitik sei dennoch nötig.
Laut einer Studie Ihres Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung arbeitet die Generation Z so viel wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Ist die Jugend also gar nicht so faul?
Enzo Weber: Die Annahme ist unbegründet. Bei dem, was sich messen lässt - zum Beispiel die Beteiligung am Arbeitsmarkt - findet sich kein Generationeneffekt, sondern eher ein Zeiteffekt. Generationen sind ein Spiegel unserer Zeit und natürlich ist der Arbeitsmarkt heute ein anderer als vor 20 Jahren: Arbeitskräfte sind knapper, wir hatten den Corona-Schock mit viel Heimarbeit, die Lebensverhältnisse sind andere, das Alleinverdienermodell gibt es kaum noch. Aber all das liegt nicht an der angeblichen Faulheit der Generation Z.
Sie haben herausgefunden, dass die Erwerbsbeteiligung der 20- bis 24-Jährigen seit 2015 um über sechs Prozentpunkte gestiegen ist. Überrascht Sie das selbst?
Eigentlich nicht, Social Media vermittelt oft ein falsches Bild der jungen Generation. Heute studieren viel mehr junge Leute, weshalb man eher eine geringere Erwerbsbeteiligung erwarten würde. Das Gegenteil ist der Fall. Und man kann alle Klischees über die Generation Z widerlegen: Die Entwicklung der gewünschten Arbeitszeiten ist nicht anders als bei Älteren, die jungen Leute heute wechseln den Betrieb auch nicht häufiger. Und die Beschäftigung hat zugenommen, weil mehr junge Menschen neben dem Studium arbeiten, auch in sozialversicherungspflichtigen Jobs. Es gibt also keine Anzeichen von Faulheit. Im Gegenteil.
Trotzdem steckt die Wirtschaft in der Krise und viele schieben es auf die mangelnde Leistungsbereitschaft. Sind wir als Gesellschaft insgesamt zu faul?
Nein, wir sind nicht faul. Die Leistungsfähigkeit ist da, aber die Zeiten haben sich geändert und dem sollten wir mit einer anderen Personalpolitik Rechnung tragen. Wir sollten zum Beispiel mehr über selbstbestimmte Arbeit diskutieren, sowohl von den Zeiten her als auch von den Inhalten.
Der wohl zukünftige Bundeskanzler Friedrich Merz sagte vor der Wahl, mit einer Viertagewoche und Work-Life-Balance würden wir den Wohlstand nicht halten. Hat er damit recht?
Diese Frage stellt sich nicht. Denn es ist einerseits keineswegs so, dass alle heutzutage eine Viertagewoche wollen - zumindest nicht, wenn sie dadurch Lohneinbußen haben. Sie wünschen sich eher die X-Tage-Woche, also die Wahlarbeitszeit. Außerdem kann man durch höhere Arbeitszeit mittelfristig keinen Wohlstand schaffen, weil Zeit begrenzt ist. Produktivität lässt sich hingegen vermehren. Wir müssen also mehr aus unserer Arbeitskraft machen, indem wir stärker auf Innovationen setzen, in neue Geschäftsmodelle investieren und bei Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz den Schub nach vorn schaffen. Dazu müssen wir Beschäftigte weiterbilden und junge Menschen entsprechend qualifizieren. Die Hebel für Wohlstand sind Technologie, Investitionen, Qualifikation, gute Arbeitsbedingungen, Selbstbestimmtheit und Motivation. Und genau dafür kann man die jungen Leute der sogenannten Generation Z mit ihrem Veränderungswillen einsetzen.
Brauchen wir eine längere Lebensarbeitszeit?
Da die Lebenserwartung steigt, ist es erst einmal plausibel, dass auch die Zahl der Arbeitsjahre in einem gewissen Umfang steigt. Allerdings sind wir aktuell noch nicht einmal bei der Rente mit 67 angekommen und es gibt viele Menschen, gerade in körperlich belastenden Berufen, die diese Grenze schon jetzt nicht erreichen. Das gesetzliche Eintrittsalter einfach anzuheben, ohne da Abhilfe zu schaffen, würde diese Menschen nur zusätzlich benachteiligen. Ich schlage vor, Menschen rechtzeitig für ihrem Beruf verwandte Tätigkeiten zu qualifizieren. Und auch jenseits der Regelaltersgrenze gibt es Möglichkeiten: Es ist eine Standardklausel in Arbeitsverträgen, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Renteneintrittsalter endet. Gesetzlich können Unternehmen derzeit nichts anderes machen. Es wäre aber besser, wenn die Verträge nicht automatisch auslaufen, sondern einfach nur kündbar werden. Dann würde man sich zumindest zusammensetzen und sich darüber verständigen, wie es weitergeht. Weil die älteren Generationen so viel größer sind als die nachwachsenden, gibt es hier noch großes Potenzial.
Wird die Erwerbsquote der Generation Z in den kommenden Jahren weiter steigen?
Das Potenzial ist begrenzt. Aus unseren Studienergebnissen möchte ich nicht das Ziel oder den Erfolgsmaßstab ableiten, die Erwerbsquote schon in jungen Jahren immer weiter nach oben zu schrauben. Eine hohe Bildungsbeteiligung sollte an erster Stelle stehen. Aktuell treffen eine Rekordknappheit an Arbeitskräften und die Wirtschaftskrise mit Wucht zusammen. Das heißt, einerseits wird vielerorts noch gesucht, auch für Ausbildungsplätze. Andererseits sehen wir, dass es weniger Neuausschreibungen gibt. Wenn ich noch keinen Job habe und gleichzeitig wenig neu besetzt wird, ist das vor allem für Berufsanfänger ein Problem. Wie es weitergeht, hängt davon ab, ob wir in der Wirtschaftspolitik die Wende aus der Industriekrise in die industrielle Transformation schaffen.
Mit Enzo Weber sprach Victoria Robertz
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