Trump greift nach den Rohstoffvorkommen in der Ukraine. Carsten Drebenstedt von der TU Freiberg kann das nicht nachvollziehen. "China deckt den Weltbedarf, die Vorkommen werden gar nicht benötigt", sagt der Bergbauingenieur ntv.de. Auch aus einem anderen Grund ergibt der Deal für den US-Präsidenten, der schnelle Geschäfte bevorzugt, keinen Sinn.
ntv.de: Derzeit wird viel darüber spekuliert, was sich US-Präsident Trump von einem Rohstoffdeal mit der Ukraine verspricht. Sitzt die Ukraine tatsächlich auf einem Billionen-Dollar-Schatz an seltenen Erden und kritischen Rohstoffen, der bisher schlicht ignoriert wurde?
Carsten Drebenstedt: Man muss zwei Dinge unterscheiden. Das eine ist das Potenzial, das andere die Machbarkeit. Aufgrund ihrer geologischen Struktur und Größe verfügt die Ukraine in der Tat über große Vorkommen. Aber es gibt auch die Kehrseite der Medaille: Dass weder zu Zeiten der Sowjetunion noch danach viel gefördert wurde, hat einen Grund. Die Lagerstätten sind schwer zugänglich. Das bedeutet auch, dass über die Lagerstätten, über die wir heute reden - abgesehen von fossilen Energieträgern und Eisenerzen -, sehr wenig bekannt ist.
Die Zeiten haben sich geändert. Die Nachfrage nach solchen Rohstoffen steigt und mit ihr die Preise. Hat die Sowjetunion damals die seltenen Erden vielleicht einfach nicht gefördert, weil sie damals nicht gebraucht wurden?
Seltene Erden und Lithium sind Metalle, die erst in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen haben. Das ist richtig. Das gilt auch für Industrieminerale wie Grafit sowie Metalle wie Kobalt und Niob. Ja, all diese Rohstoffe haben Potenzial in der Ukraine. Aber selbst in der Rohstoffkrise um 2010 herum, als es einen großen Run gab, spielten diese Vorkommen keine Rolle.
Wie erklären Sie sich das?
Um ein Bergwerk zu bauen, braucht man drei Dinge. Erstens einen Investor mit Geld. Zweitens Know-how. Und drittens eine Genehmigung. In der Ukraine fehlte es sowohl an finanzkräftigen Investoren als auch an Unternehmen mit der nötigen Erfahrung, um diese Vorkommen auszubeuten. Im Fokus stehen da eher erfahrene Unternehmen aus Australien, den USA oder Kanada. Außerdem müssen Investoren einen langen Atem haben. Es dauert viele Jahre, bis ein Bergwerk genehmigt ist, und dann muss es erst gebaut werden. Auch das dauert. Bis dann seltene Erden auf dem Markt sind, vergehen vielleicht 20 Jahre. So lange konnten oder wollten die Ukraine und die ausländischen Investoren nicht durchhalten - nicht in der damaligen wirtschaftlichen Situation und noch weniger in der heutigen Kriegssituation.
Das heißt, ein Rohstoffabkommen zwischen Washington und Kiew bedeutet für die USA keinen schnellen Geldregen?
Selbst wenn sie schnell anfangen würden, würden sie die Ergebnisse erst in 10 Jahren oder eher in 20 Jahren sehen. Der ukrainische Präsident hofft offenbar, dass sein Land im Gegenzug für Rohstoffe von den USA Schutz vor Russland erhält. Aber Donald Trump ist auf schnelle Geschäfte aus. Er dürfte sich getäuscht fühlen, wenn er die Früchte nicht mehr in seiner Amtszeit ernten kann.
Was macht den Rohstoffabbau so aufwendig und langwierig?
Lagerstätten von seltenen Erden weisen sehr geringe Erzgehalte auf. Bei Lagerstätten von Weltklasse sind das ungefähr ein Prozent und die Vorräte sollten mindestens eine Million Tonnen betragen. Das ist dann aber ein Gemisch aus verschiedenen schweren und leichten seltenen Erden. Dieses aufzubereiten und zu trennen, ist eine schwierige Aufgabe. Es gibt etwa 40 Lagerstätten von Weltrang, die meisten werden nicht abgebaut.
Warum?
Weil bereits eine einzige Lagerstätte in China den gesamten Weltbedarf decken kann. Dass es so viele Vorkommen gibt, bedeutet übrigens auch, dass man nicht in die Ukraine gehen muss, um seltene Erden abzubauen. Die Ukraine ist eine Möglichkeit von vielen. Ich verstehe nicht, warum Trump so verrückt nach seltenen Erden in der Ukraine ist. Es gibt bessere Optionen. Bergbau in der Ukraine ist ein sehr vages Unterfangen.
Wenn seltene Erden gar nicht so selten sind, klingt es nach einem Trump-Deal um des Deals willen …
Seltene Erden heißen einfach nur so, weil sie seltener sind als Kupfer, Aluminium oder Eisenerz. Sie kommen weltweit sehr häufig vor, übrigens auch in Deutschland. Die Weltklasse-Lagerstätten unterscheiden sich lediglich durch die Kosten für den Abbau und die Aufbereitung. Es gibt Länder, in denen das besonders günstig möglich ist. Sei es, weil die Natur es so eingerichtet hat und die Rohstoffe nah an der Oberfläche liegen, sei es, weil Arbeitsschutz und Umweltauflagen nicht so genau genommen werden. Der größte Teil der Welt bezieht seine Rohstoffe aus solchen Ländern - leider.
Sicherheit und Umwelt spielen in dem Geschäft keine große Rolle?
Ältere Lagerstätten beispielsweise in den USA, Australien oder Kanada wurden stillgelegt, als der chinesische Markt seine Rohstoffe billig anbot. Weltweit gab es zwischenzeitlich ein kurzes Aufflackern von Projekten. Aber am Ende denkt man doch wieder wirtschaftlich und geht dann wieder dorthin, wo es am billigsten ist.
Vorkommen in Deutschland lassen sich nicht umweltverträglich fördern?
Es gibt Lagerstätten in Deutschland, allerdings keine von Weltrang. Ein kleines Vorkommen wurde zufällig in der Nähe von Leipzig in Storkwitz gefunden. Das könnten wir abbauen. Das wäre sicher und auch umwelt- und sozialverträglicher. Aber es wäre auch teuer. Letztlich ist die Frage: Wer kauft das? Der Staat müsste die Differenz zwischen Weltmarktpreis und tatsächlichen Kosten mit Subventionen ausgleichen. Bei der Steinkohle hatten wir das über viele Jahrzehnte. Diese Zeiten sind vorbei.
Mit Carsten Drebenstedt sprach Lukas Wessling
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