Schon bevor die neue deutsche Regierung des wahrscheinlichen Bundeskanzlers Friedrich Merz im Amt ist, haben die Koalitionspartner Union und SPD ihren festen Willen zu neuen Schulden bekundet.

Mehrere Hundert Milliarden Euro sollen in den nächsten Jahren in die Bundeswehr gehen, mit weiteren 500 Milliarden Euro soll die Infrastruktur in Deutschland erneuert werden – also Strassen, Brücken, Schienen oder Schulhäuser gebaut oder renoviert werden.

Schwarze Null war einmal

Damit vollzieht sich in Berlin eine epochale Wende. Jahre- oder sogar jahrzehntelang war das Credo aller Bundesregierungen: Bloss kein Staatsdefizit anhäufen. Stichwort: die Schwarze Null.

Legende: Der wahrscheinliche künftige Bundeskanzler Friedrich Merz kündigt zusammen mit CSU-Chef Markus Söder (links) sowie den beiden SPD-Vertretern Lars Klingbeil und Saskia Esken die Milliardenpläne an. Keystone/Carsten Koall

Doch jetzt soll die gesetzliche Schuldenbremse in Deutschland umgangen werden. Der Regierung soll es so möglich werden, mehr Schulden als bisher gesetzlich erlaubt waren zu machen.

A priori sind Schulden nicht schlecht. Es ist eine Frage des Masses – und wofür der Staat das Geld ausgibt.
Autor: Adriel Jost Unabhängiger Ökonom

Angesichts der ganzen Diskussionen stellt sich die Frage, was grundsätzlich schlecht daran ist, wenn der Staat Schulden macht. «A priori ist das nicht schlecht», sagt der Wirtschaftsexperte Adriel Jost. «Es ist eine Frage des Masses – und wofür der Staat das Geld ausgibt.»

Wenn der Staat das aufgenommene Geld für Konsum ausgebe – also etwa für Sozialleistungen – dann hat das Geld keine längerfristige Wirkung.

Wirtschaft ankurbeln durch Investitionen

«Wenn der Staat das Geld aber investiert, etwa in die Infrastruktur, dann können Wirtschaft, Gesellschaft und der Staat selber auch längerfristig davon profitieren», sagt Jost.

So vergrössert sich durch die Investitionen etwa das Wirtschaftswachstum, was wiederum Arbeitsplätze schafft und Steuereinnahmen bewirkt – bei womöglich sinkenden Sozialausgaben.

Eine hohe Inflation führt historisch betrachtet häufig zu turbulenten Zeiten mit sozialen Unruhen und sogar geopolitischen Konflikten.
Autor: Adriel Jost Unabhängiger Ökonom

Im Fall von Deutschland sei es so, dass die Einnahmen des Staates jahrzehntelang für den Konsum ausgegeben wurden – also für soziale Zwecke, sagt der Ökonom. Und jetzt merke man, dass dringend in die Sicherheit und Verteidigung sowie in die Infrastruktur investiert werden muss. «Weil dafür kein Geld da ist, muss der Staat jetzt Schulden machen.»

Allzu hohe Schulden sind schlecht

Falls ein Staat zu viele Schulden macht, muss die Zentralbank eingreifen und die Schulden allenfalls übernehmen, wie der Ökonom Jost ausführt. Doch weil sie so im Grunde Geld aus dem Nichts druckt, gerät die betreffende Währung unter Druck: Sie ist immer weniger wert, die Inflation gerät womöglich ausser Kontrolle.

Der Staat selber geht in dem Sinne nicht wirklich Konkurs, aber seine Währung kann durchaus untergehen – mit allen negativen Folgen.

Schulden abbauen über hohe Inflation

«Eine starke Inflation führt historisch betrachtet häufig zu turbulenten Zeiten mit sozialen Unruhen und sogar geopolitischen Konflikten», sagt Jost. Denn die Inflation sei eine sehr asoziale «Steuer» unter der vor allem die ärmere Bevölkerung stark leidet.

Die Schulden werden wohl über die eine oder andere Art ‹weg-inflationiert› werden müssen.
Autor: Adriel Jost Unabhängiger Ökonom

Im Fall von Deutschland rechnet zwar derzeit niemand mit einem solchen Szenario – aber kommende Generationen werden die heute gemachten Schulden zurückzahlen müssen, womöglich durch höhere Steuern.

«Im Idealfall führt längerfristig ein höheres Wirtschaftswachstum zu einem gemessen am Bruttoinlandprodukt tieferen Schuldenstand eines Landes», erklärt Jost. Doch das Wachstum sei in den meisten hochentwickelten Industrieländern dafür zu klein – und Aussicht auf Besserung bestehe kaum.

Deshalb: «Die Schulden werden wohl eher über die eine oder andere Art ‹weg-inflationiert› werden müssen.»

Diskutieren Sie mit:

 

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke