Die Woche, in der die neue Regierung verkündete, wie sie das Land in den kommenden Jahren gestalten möchte, wird Mietern und Eigentümern noch länger in unangenehmer Erinnerung bleiben. Während im Koalitionsvertrag klar wurde, dass der Weg der Energiewende, den Deutschland unter ungläubigem Staunen des Auslands mittlerweile fast mutterseelenallein beschreitet, auch von der Union ohne nennenswerte Korrekturen fortgesetzt wird, wurden sie, einem Menetekel gleich, erneut mit den teuren Konsequenzen der ökologischen Transformation konfrontiert.
Zuerst war da der TV-Auftritt des wohl nächsten Bundeskanzlers Friedrich Merz. Auf die Frage, ob er sich wünsche, dass der Preis für Gas und Öl so steige, „dass die Menschen vom Preis erzogen werden“, antwortete Merz bei RTL mit einem klaren Ja. Sie müssten irgendwann erkennen, dass es sich nicht mehr lohne, die alte Öl- oder Gasheizung zu betreiben.
Wer aus Merz‘ vieldeutiger Ankündigung „Das Heizungsgesetz schaffen wir ab“ schließen zu können glaubte, die Habeckisierung des Heizkellers nehme unter einer unionsgeführten Regierung ein Ende, wurde damit kalt erwischt. Den Anreiz zum Umstieg auf die Wärmepumpe (denn viel mehr Alternativen bleibt nicht) solle aber, so Merz, kein Gesetz geben, sondern das sollten hohe Preise für fossile Energien erledigen. Über steigende CO₂-Preise einen Anreiz zum Wechsel zu setzen, ist zunächst mal stimmig und kommt den Forderungen vieler auch liberaler Ökonomen nach. So weit, so gut.
Der auf diesem Alternativpfad fortgesetzte Weg zur Stromheizung für praktisch alle ist dabei die eine Säule der Wärmewende, wie die Energiewende im Gebäudesektor genannt wird. Die andere sind Wärmenetze, die ganze Gebiete mit Nah- oder Fernwärme versorgen sollen. Und auch an dieser Front gab es in dieser Woche schlechte Nachrichten für die Kunden: In Hamburg steigen die Preise für Fernwärme um satte 30 Prozent. Die Energiewerke sprechen von rund 2,85 Milliarden Euro an Investitionen für klimafreundlichere Energiegewinnung, die refinanziert werden müssten.
Betroffen sind die Nutzer von 260.000 Wohnungen. Eine Entwicklung, die sich in anderen Regionen wiederholen dürfte. Michael Prinz, Geschäftsführer der Hamburger Energiewerke, beruft sich bei der Preiserhöhung der Fernwärme darauf, dass die Bürger ja auch ein besseres Produkt bekämen: „Die höhere Qualität der Wärme, die spiegelt sich im Preis wider.“
In den Ohren von Millionen Bürgern, die nach dem breiten Inflationsschub der vergangenen Jahre oft nicht mehr wissen, wie sie über den Monat kommen sollen, muss das wie Hohn klingen. Fühlt sich teure, CO₂-ärmere Fernwärme auf der Haut irgendwie besser an?
Prinz‘ Aussage könnte höchstens dann verfangen, wenn die drastisch höheren Wärmepreise tatsächlich merklich dem Klima nutzen würden – und die finanzielle Einschränkung der individuell Betroffenen so einem größeren Ganzen nutzen würde. Das Klima aber lässt sich erstens ausschließlich global schützen, und Deutschlands Bemühungen sind zu kleinteilig, um dazu einen wirksamen Beitrag zu leisten. Zweitens trägt das inzwischen nur noch im Stil einer Durchhalteparole vorgetragene Mantra, mit der Energiewende deutscher Machart würden andere Länder zur Nachahmung angeregt, längst nicht mehr.
Und drittens kann eine Regierung – das gilt gleichermaßen für die Ampel wie auch für die neue Koalition – vom Bürger nicht mehr glaubwürdig Opfer für den Klimaschutz einfordern, wenn die eine in einer Energie-Notlage sichere, abgeschriebene CO₂-freie Kernkraftwerke abschaltet beziehungsweise die kommende die mögliche AKW-Wiederinbetriebnahme zur Entschärfung des Standortproblems mit keinem Wort im Koalitionsvertrag erwähnt.
Die Politik droht den Bogen zu überspannen
Fast noch größere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang aber ein anderer Aspekt. Zu Ampel-Zeiten wurde die künstlich über stetig kletternde CO₂-Preise zusätzlich verteuerte Energie stets mit dem Verweis auf einen sozialen Ausgleich verteidigt, der aus den zusätzlichen Einnahmen bestritten werden sollte. Bereits in ihrem Koalitionsvertrag hatten die Parteien 2021 vereinbart, dass es für die Bürger eine finanzielle Entschädigung für den 2019 im Rahmen des Klimapakets beschlossenen CO₂-Preis auf fossile Brennstoffe geben sollte. Doch zunächst reklamierte die Ampel technische Probleme bei der Umsetzung der Auszahlung für sich, später war von der Ausgleichszahlung keine Rede mehr.
Und die neue Koalition? Hat das Klimageld komplett von der Agenda genommen. Stattdessen sollen Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung genutzt werden, um laut Koalitionsvertrag „Investitionen in die Klimaneutralität“ zu fördern und „die Stromsteuer zu senken“. Das ist zwar auch eine Entlastung. Doch eine vierköpfige Familie zahlt bei einem um fünf Cent ermäßigten Strompreis bei einem Verbrauch von 4000 kWh im Jahr ganze 200 Euro weniger. Zudem werden Mittel, die eigentlich die Verbraucher entlasten sollten, dann auch für günstigere Energie für die Industrie verwendet.
In einer Zeit, in der sich die wahren Kosten der Energiewende für den Einzelnen nicht länger verschleiern lassen und mit voller Härte in seinem Alltag ankommen, ist das ein fatales Signal. Vor allem an die Leistungsträger der Gesellschaft, die mit ihrer Arbeit und ihren Steuern das Land am Laufen halten und die ökologische Transformation nicht nur für sich selbst schultern müssen, sondern sie über ihre Abgaben an den Sozialstaat auch für all jene mitfinanzieren, denen der Staat zugesteht, sie sich selbst nicht leisten zu können.
Die Solidarität mit Schwächeren ist in Deutschland traditionell stark ausgeprägt. Dieses Kapital sollte die Politik nicht verspielen, indem sie den Bogen bei den Lasten für jene, die das Land am Laufen halten, überspannt. Die möglichen Folgen zeichneten sich diese Woche ab – in einer Wahlumfrage, in der die AfD erstmals die stärkste deutsche Partei war.
Michael Höfling schreibt für WELT über Immobilien, Wirtschaftspolitik und Gold. Gemeinsam mit Michael Fabricius ist er für den Immobilien-Newsletter „Frage der Lage“ zuständig.
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