War ein Unternehmen auf dem Heimatmarkt aktiv, galt das unter Investoren bislang als Risiko. So hing das Geschäftsmodell am Wirtschaftstropf Zuhause. Doch der US-Präsident Donald Trump hat die Welt mit seinen Zöllen auf den Kopf gestellt, auch bei der Bewertung von Aktien. Eine geringe Abhängigkeit gerade von den USA gilt nun als Vorteil – und große Konzerne mit einem globalen Liefernetz könnten Probleme bekommen.
Worauf Anleger künftig achten sollen, darüber geben einige Beispiele aus dem aktuellen Podcast "Aktien fürs Leben" von Capital-Chefredakteur Timo Pache und Kapitalmarktexpertin Petra Ahrens Aufschluss.
Der Boeing-Dreamliner
Die Einzelteile des beliebten Passagierflugzeugs Boeing 787 Dreamliner stammen aus der ganzen Welt: Türen aus Frankreich und Schweden, Stabilisatoren aus Italien, Lithium-Ionen-Batterien aus Japan und Motoren aus Großbritannien. Insgesamt 2000 Komponenten von 700 Lieferanten weltweit sind im Bestseller-Flugzeug von Boeing verbaut. Und weil sie alle sicherheitszertifiziert sein müssen und auch patentgeschützt sind, können sie nicht – und schon gar nicht schnell – durch US-Produkte ersetzt werden.

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Also muss Boeing weiterhin exportieren und darauf kommen jetzt hohe Zölle. Experten schätzen die Mehrkosten für das Unternehmen auf 40 bis 50 Mio. US-Dollar. Für Boeing ist das jetzt ein Wettbewerbsnachteil gegenüber dem europäischen Rivalen Airbus, der mit dem A350 den direkten Konkurrenten produziert. Das zeigt sich in den Aktienkursen: Die Boeing-Aktie sank von Donnerstag bis Montag von umgerechnet 154 Euro auf 114 Euro um mehr als 25 Prozent, das Airbus-Papier im selben Zeitraum dagegen um 18 Prozent.
Nike wird ausgebremst
Ein anderer Fall ist Nike: Der Sportartikelhersteller hatte schon vor den neuen Zöllen massive Probleme – trotzdem galt die Marke als Turnaround-Kandidat, gerade wegen der starken Verankerung im Heimatmarkt USA. Allerdings produziert Nike nur rund fünf Prozent seiner Waren dort, während ein Großteil importiert wird. Herkunftsländer für die Produkte sind vor allem Staaten mit niedrigen Löhnen und Arbeitsstandards – auf die besonders hohe Zölle zukommen. Einfuhren aus Vietnam sollen mit Zöllen von 46 Prozent belegt werden, für Bangladesch gelten 37 Prozent und für Kambodscha sogar 49 Prozent.
Für Nike ist das eine massive Belastung, denn knapp die Hälfte des Umsatzes, knapp 22 Mrd. Dollar, macht das Unternehmen aus dem US-Bundesstaat Oregon in den USA. Rund 7,5 Mrd. Dollar steuern die Erlöse in China bei, wo nun vermutlich Vergeltungszölle fällig werden. Die Aktie sank von vergangenem Mittwoch bis Dienstagabend um mehr als 14 Prozent.
Falls Nike sich zu differenzierten Preisaufschlägen entschließt, könnten die europäischen Verbraucher profitieren. Die Sportschuhe würden dann hier im Vergleich zu den USA wesentlich günstiger zu haben sein. Und das käme auch der deutschen Nationalmannschaft zugute, deren Ausstatter Nike ab 2027 werden soll.
Sprengstoff in Apples Geschäftsmodell
Besonders brisant ist die Lage bei Apple: Allein in den vergangenen fünf Tagen verlor die Aktie des Iphone-Herstellers rund 18 Prozent an Wert, rund 1 Billion Dollar Börsenwert wurden seit Jahresanfang vernichtet. Die Einfuhrzölle auf Waren aus China, Vietnam und Indien treffen den Techkonzern hart. Rund 85 Prozent der iPhones werden einer Analyse der US-Investmentbank Jefferies in China, die übrigen 15 Prozent in Indien hergestellt. Ein Drittel seiner iPhones verkauft Apple in den USA. Das erschüttert das gesamte Geschäftsmodell des größten Aktienwerts im US-Leitindex S&P 500.
Jefferies-Analyst Barton Crockett glaubt sogar, Trumps Zölle könnten "Apple in die Luft jagen". Nach seinen Schätzungen kommen auf Apple durch die Zölle zusätzliche Kosten in Höhe von 39,5 Mrd. US-Dollar zu. "Wir gehen davon aus, dass fast 100 Prozent der in den USA verkauften iPhones, 90 Prozent der Macs, 80 Prozent der iPads, 90 Prozent der Apple Watches und 35 Prozent der Airpods in China hergestellt werden. Der Großteil der übrigen Produkte wird in Vietnam hergestellt", sagte Crockett.
Für Apple bedeutet das, dass der Konzern die Mehrkosten entweder selbst trägt und auf Gewinne verzichtet – oder die höheren Kosten an seine Kunden weitergibt. Doch dann würden die Preise für iPhone, Macbook und Co. wohl deutlich steigen.
Bei Konkurrent Microsoft sieht es besser aus. Weil dort der Fokus auf Software liegt, kommt der Konzern wahrscheinlich um die meisten Zölle herum. Das zeigt sich im Aktienkurs, der in den vergangenen Tagen lediglich knapp 5 Prozent verlor. Sollte die EU bei ihren Gegenmaßnahmen auch die Digitalkonzerne ins Visier nehmen – zum Beispiel durch eine spezielle Gewinnsteuer auf die Umsätze der Konzerne – könnte das aber auch für Microsoft Gegenwind bedeuten.
Zölle treffen auch Champagner und Handtaschen
Die Aktie des französischen Luxuskonglomerats LVMH schwankte in den vergangenen Wochen deutlich. Kostete die Aktie Ende Januar noch mehr als 750 Euro, waren es zu Beginn dieser Woche nur noch rund 500 Euro – ein Minus von rund 30 Prozent. Die Zölle treffen das Unternehmen an vielen Stellen.

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LVMH produziert viel in Frankreich und Europa, gleichzeitig kommt rund ein Viertel des 85-Mrd.-Umsatzes aus den USA. Auch hier bedeuten die Einfuhrzölle Kosten, die das Unternehmen entweder selbst tragen oder auf die Verbraucher umlegen muss. Darunter würde die Nachfrage leiden: Stürzen die USA in eine Rezession und trüben sich auch die Wirtschaftsaussichten in Europa und China ein, geben die Menschen erfahrungsgemäß weniger für Luxusprodukte wie Champagner und Handtaschen aus. Obendrauf kommen auch hier mögliche Vergeltungszölle – gut möglich, dass für global aufgestellte Unternehmen wie LVMH die Gegenreaktion der EU ebenfalls über die weiteren Geschäftsaussichten entscheidet.
Resilienz als Faktor
Welche Aktien werden sich also in einer Welt ohne Freihandel, dafür aber mit hohen Import- und Gegenzöllen behaupten? Ein möglicher Anhaltspunkt könnte sein, sich gezielt Unternehmen mit einem starken Umsatz im Inland und relativ klaren und abgesicherten Liefer- und Produktionsketten zu suchen. Im Gegenzug könnte gelten: Je komplexer die Produkte und die Geschäftsmodelle, desto anfälliger sind die Unternehmen für Zölle und Handelsbarrieren.
Eine zweite Möglichkeit sind Aktien, die mutmaßlich von den zu erwartenden höheren Ausgaben in Europa für Verteidigung und Infrastruktur profitieren werden. Dazu zählt etwas das Baustoffunternehmen Heidelberg Materials, dessen Aktie zwar zuletzt auch unter den Turbulenzen gelitten hat, seit Jahresbeginn aber immer noch etwa 25 Prozent im Plus liegt. Oder, als Alternative zum deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall, der italienische Wettbewerber Leonardo: Das Papier des Panzer- und Flugzeugherstellers verlor in den vergangenen Tagen zwar rund 10 Prozent an Wert, kommt seit Jahresanfang aber auf ein Plus von fast 60 Prozent. Hauptgrund: Die milliardenschweren Ausgaben für die Aufrüstung in Europa werden die Belastung aus möglichen Zöllen mehr als ausgleichen. Und ähnlich wird es wahrscheinlich auch allen anderen Konzernen ergehen, die große Teile ihres Geschäfts in Europa machen und von steigenden Investitionsausgaben profitieren – etwa Siemens Energy oder Schneider Electric aus Frankreich.
Capital
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