Überraschend hat US-Präsident Trump bei den Zöllen auf die Pausetaste gedrückt. Ökonom Gabriel Felbermayr hält das für eine Chance – warnt aber vor den Folgen des US-Vorgehens

Herr Felbermayr, Donald Trump hat die Zölle nun wieder für 90 Tage ausgesetzt. Ist das eine Kehrtwende?
Das 90-Tage-Moratorium ist eine positive Überraschung. Die Hoffnung lebt wieder, dass Trump tatsächlich Deals abschließen will. Deals können ja für beide Partner wirtschaftlich sehr vorteilhaft sein. Zuvor war das sehr unsicher geworden – geht es ihm vielleicht wirklich darum, bloß Zolleinkommen zu generieren und dafür die Einkommensteuer zu senken, oder geht es ihm darum, möglichst hohen Schaden bei geopolitischen Rivalen zu erzeugen, egal, was das im Inland kostet. Für China gibt es ja keine Verschnaufpause. Es scheint mir, dass die meisten Länder und auch die EU in der Lage sein könnten, auf dem Verhandlungswege vernünftige Ergebnisse zu erzielen. Für China droht die machtpolitische Rivalität die wirtschaftspolitischen Aspekte zu übertünchen.

© HANS KLAUS TECHT / Picture Alliance

Zur Person

Gabriel Felbermayr ist Direktor des Österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung und Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien. Es ist unter anderem Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz.

Bisher ist vielen unklar, was Trump mit seiner chaotischen Zollpolitik eigentlich will. Jetzt hat der Präsident gesagt, er will in den Verhandlungen mit den Ländern auch über die hohen Staatsschulden der USA sprechen. Gibt es da überhaupt einen Zusammenhang?
Tatsächlich gibt es den. Es geht bisher ja vor allem um das Handelsbilanzdefizit und dort kann man einen Zusammenhang herstellen: Wenn ein Land "über seinen Verhältnissen" lebt und Geld ausgibt, das es nicht hat, dann treibt das tatsächlich das Leistungsbilanz- oder das Handelsbilanzdefizit. Dieses Defizit kann man reduzieren, wenn der Staat Schulden abbaut. Aber ich weiß nicht, ob das wirklich die Logik ist, die Trump vorschwebt.

Stichwort Logik: Manche glauben, dass hinter dem Vorgehen der USA der sogenannte Mar-a-Lago-Accord steckt. Demnach will die US-Regierung mit den Zöllen andere Staaten dazu zwingen, US-Staatsanleihen in hundertjährige, unverzinste Anleihen umzuschulden. Ist das realistisch?
Das ist ganz schwer vorstellbar. Freiwillig macht das doch keiner. Natürlich kann es sein, dass Trump die Partnerländer wirklich zu erpressen versucht: Entweder du erstickst an den Zöllen oder du schenkst uns unsere Schulden. Aber das ist von so einer Plumpheit und so einer offensichtlichen Brutalität; als würde ein Mafioso Schutzgeld erpressen. Viele Länder würden diesen Deal nie und nimmer machen. Sich so erpressen zu lassen, geht ja auch an die Ehre und an den Stolz.

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Und wenn Trump es trotzdem probiert?
Dann hätte das schwerwiegende Folgen, vor allem für die USA selbst. Wer würde den USA denn dann noch Geld leihen wollen? Die USA haben das große Privileg, mit dem Dollar über eine sehr glaubwürdige Währung zu verfügen. Wenn sie diesen Dollarmarkt mit so einem Vorgehen zerstören, dann wird es für die USA in Zukunft sehr schwer werden, sich zu verschulden und die Kreditzinsen würden sehr viel teurer werden. Ich bezweifle, dass sich das irgendjemand wünscht.

Im Moment sehen wir allerdings schon einen Anstieg der Renditen für US-Anleihen. Ist das ein Hinweis, dass sich Gläubiger wie China zurückziehen?
Diese Sorge gibt es. Es könnte sein, dass nicht nur China, sondern viele Länder keine Lust mehr auf US-Anleihen haben, weil diese nun als Risiko wahrgenommen werden. Wir haben in den vergangenen Monaten gesehen, dass viele Zentralbanken Gold gekauft haben – weil man sich fürchtet, dass ein unberechenbarer US-Präsident einen Schnitt auf die Dollaranleihen verlangt. Das wäre in etwa so, als wäre das Land zahlungsunfähig. Für die USA als Kernland des globalen Kapitalismus ist das eine furchtbare Entwicklung.

Capital

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