In Deutschland wird schon seit vielen Jahren zu wenig investiert. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute sprechen von einem „besorgniserregenden Abwärtstrend“ zum Beispiel bei den Ausrüstungsinvestitionen, also bei den Ausgaben für Maschinen, Fahrzeuge und technische Anlagen.

Vor allem das verarbeitende Gewerbe, das am Heimatstandort mit hohen Energie-, Personal- und Bürokratiekosten bei einer zugleich stetig schwächeren Auftragslage zu kämpfen hat, hält sich zurück. 2024 lagen die entsprechenden Investitionen des Privatsektors laut der Förderbank KfW fast zehn Prozent unter dem Wert des Vor-Pandemie-Jahres 2019.

Die künftige neue Bundesregierung verspricht nun Abhilfe und plant einen Investitions-Booster. Dieser Begriff steht jedenfalls im kürzlich vorgestellten schwarz-roten Koalitionsvertrag. Angekündigt wird in den Zeilen 1430 und 1431, eine degressive Abschreibung auf Ausrüstungsinvestitionen in Höhe von 30 Prozent zu ermöglichen. Gelten soll diese Regelung für die Jahre 2025 bis 2027.

Und die Industrie reagiert positiv darauf, das zeigt eine WELT-Umfrage bei mehreren Wirtschaftsverbänden. „Die verbesserten Abschreibungen sind ein wichtiges Signal“, heißt es zum Beispiel vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

„Sie entfalten sofort einen starken Investitionsimpuls und schieben somit Ausrüstungsinvestitionen in den kommenden zwei Jahren an“, prognostiziert Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner. „Die Breite der Industrie kann von dem Vorhaben profitieren. Insbesondere für den Mittelstand hat die Maßnahme eine Signalwirkung für Investitionen.“

Lob kommt unter anderem auch vom Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI). „Die angekündigten degressiven Abschreibungen können notwendige Impulse für mehr private Investitionen in Ausrüstungen geben und so vor allem auch das Infrastrukturpaket flankieren“, sagt Wolfgang Weber, der Vorsitzende der Geschäftsführung des ZVEI. Und auch der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sieht einen „Investitionsanreiz gesetzt“.

Erfahrungen mit degressiver Abschreibung in Deutschland

Denn es gibt bereits Erfahrungen mit diesem Instrument. Schon mehrfach wurde die degressive Abschreibung in Deutschland eingeführt und wieder abgeschafft. Das Konzept: Die Investition in ein bestimmtes Wirtschaftsgut, in diesem Fall in Ausrüstung, wird steuerlich geltend gemacht.

Degressiv bedeutet dabei, dass die Abschreibung in den ersten Jahren höher ist und dann sukzessive abnimmt. Das unterscheidet sich von der sonst üblichen linearen Abschreibung, bei der über eine definierte Nutzungsdauer Jahr für Jahr ein immer gleicher Betrag von der Steuer abgezogen wird.

Der Vorteil der nun geplanten degressiven Abschreibung ist eine schnellere Reduzierung des steuerpflichtigen Gewinns. Investitionen rechnen sich also schneller für die Unternehmen. Noch dazu erhöht sich die Liquidität, die dann unmittelbar für weitere Investitionen genutzt werden kann.

Um jährlich rund sieben Milliarden Euro können die Unternehmen in Deutschland dadurch im betreffenden Zeitraum entlastet werden, prognostiziert das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln. In einer aktuellen Studie haben die Forscher die Versprechen von Union und SPD analysiert und anschließend berechnet, wie teuer diese Pläne sind. In Summe kommt das IW dabei auf einen Betrag in Höhe von mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr.

Für den BDI ist die anfängliche Belastung der Staatskasse durch eine Wiedereinführung der degressiven Abschreibung aber nur ein temporärer Effekt. Über den Zeitverlauf sei die Maßnahme haushaltspolitisch finanzierungsneutral.

„Zwar entstehen anfänglich Kosten, diese werden jedoch durch steigende Steuereinnahmen in den Folgejahren kompensiert“, erklärt Verbandschefin Gönner. Somit trage sich das Vorhaben nach etwa vier bis fünf Jahren selbst.

Forderungen nach ergänzenden Maßnahmen

Doch bei aller Zustimmung gibt es auch Forderungen nach ergänzenden steuerpolitischen Maßnahmen, um die gewünschte Wirtschaftswende zu erreichen. „Die Kombination aus Booster und Steuersatzsenkungen ist entscheidend“, heißt es vom Verband der Chemischen Industrie (VCI).

„Als Liquiditätshilfe hat der Booster für die Unternehmen einen positiven Finanzierungseffekt und schiebt Investitionen an. Umso wichtiger ist es, dass der reine Finanzierungseffekt auch mit den angekündigten nachhaltigen Steuerentlastungen verknüpft wird“, sagt Berthold Welling, der Geschäftsführer Steuern und Recht beim VCI. Das erhöhe die Chance, kapitalintensive Industrien, wie die Chemie- und die Pharmabranche oder den Maschinenbau am Standort zu halten und neue Investitionen zu fördern.

Zudem moniert Welling die angedachte Begrenzung der verbesserten Abschreibungsbedingungen auf drei Jahre. „Besser wäre es, die Abschreibungsbedingungen über einen längeren Zeitraum zu verbessern, da größere Investitionen oftmals längere Planungszeiten benötigen.“

Das ist auch der Kritikpunkt von VDMA und ZVEI. „Die Befristung führt zu sehr begrenzter Planbarkeit“, fürchtet Johannes Gernandt, der Leiter Steuern beim VDMA. Zudem bleibe abzuwarten, wie der Kreis der begünstigten Investitionsgüter detailliert ausgestaltet wird. „Daher plädieren wir weiterhin dafür, eine langfristige Lösung zu ermöglichen, in dem die allgemeine degressive Abschreibung dauerhaft eingeführt wird.“

Marie-Christine Ostermann befürchtet sogar reine Vorzieheffekte. „Diese Sonderabschreibung allein wird aber wegen der nicht gelösten Standortnachteile kein langfristiges Wirtschaftswachstum auslösen“, sagt die Präsidentin des Verbands Die Familienunternehmer und fordert begleitende allgemeine Standortverbesserungen, um den laufenden Betrieb von Produktionsanlagen günstiger zu machen.

„In einer neuen Fabrik muss sich die Produktion nämlich 20 bis 30 Jahre lang rechnen. Voraussetzung für eine langfristige Wirkung einer degressiven Abschreibung ist zum Beispiel, dass das Unternehmen mit seiner Investition künftig Gewinne erzielt, was aber ohne Verbesserungen bei den großen Kostenblöcken wie Steuern, Lohnzusatzkosten und Energie nicht ausreichend möglich ist.“

Dem ZVEI ist das Thema Steuern dabei am wichtigsten. „Denn die Steuerlast von Unternehmen in Deutschland ist im internationalen Vergleich insgesamt viel zu hoch“, sagt Geschäftsführer Weber. Eine Absenkung sei laut Koalitionsvertrag leider erst ab 2028 geplant. „Eine frühere Umsetzung wäre deutlich zielführender.“

Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie über Recycling und Mittelstandsunternehmen.

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