Das Abrutschen des deutschen Leitindex Dax ist nur ein Vorgeschmack auf das, was durch die US-Handelspolitik ausgelöst werden kann. So sieht es zumindest CDU-Chef Friedrich Merz. Er fürchtet eine weitere Zuspitzung der Lage an den weltweiten Börsen.
„Die Lage an den internationalen Aktien- und Anleihemärkten ist dramatisch und droht sich weiter zuzuspitzen“, sagte Merz und forderte Konsequenzen für die Koalitionsverhandlungen mit der SPD. „Es ist deshalb dringlicher denn je, dass Deutschland so schnell wie möglich seine internationale Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellt“, fügte er hinzu. „Diese Frage muss jetzt im Zentrum der Koalitionsverhandlungen stehen. Wir brauchen Steuersenkungen für Unternehmen und Bürger, einen spürbaren Rückbau der lähmenden Bürokratie, die Senkung der Energiepreise und eine Stabilisierung der Kosten für die sozialen Sicherungssysteme“, betonte Merz.
Der Wirtschaftsflügel der Union verlangt nach dem Börsenabsturz zum Einstieg in die Schlussrunde der Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD schnelle und nachhaltige Entlastungen für die Betriebe. „Die Gesamtsteuerlast für Unternehmen muss so schnell als möglich gesenkt werden. Die Sozialabgaben müssen stabilisiert und mittelfristig reduziert werden“, sagte die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion Gitta Connemann (CDU). Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion ist nach eigenen Angaben mit rund 25.000 Mitgliedern der größte parteipolitische Wirtschaftsverband in Deutschland.
Wagenknecht hält Koalitionsvertrag schon jetzt für überholt
Kritik an den zukünftigen Koalitionspartnern kam von der BSW-Bundesvorsitzenden Sahra Wagenknecht. „Die neue Bundesregierung verhandelt an der Wirtschaftskrise vorbei. Börsen und Weltwirtschaft schmieren ab, und die Bundesregierung verliert sich im Klein-Klein eines völlig aus der Zeit gefallenen Koalitionsvertrages. Es deutet alles darauf hin, dass die deutsche Wirtschaft noch weiter in den Abwärtsstrudel gerät“, sagte Wagenknecht WELT.
„Es geht nicht um die Zukunft von Saskia Esken, die die Menschen in Deutschland eher weniger bewegt, sondern um die Zukunft Tausender Betriebe und Arbeitsplätze in unserem Land! Wirtschaftspolitik muss jetzt die Top-Priorität der kommenden Bundesregierung werden“, sagte Wagenknecht weiter.
Dafür bräuchte es auch eine personelle Top-Besetzung, „die in den GroKo-Teams weit und breit nicht in Sicht ist. Deutschland bräuchte einen zweiten Ludwig Erhard als Wirtschaftsminister, der unkonventionell und eigenständig handelt und begreift: Wenn die USA uns mit Zöllen überziehen, müssen wir unsere wirtschaftlichen Beziehungen zu den Brics-Staaten intensivieren, wenn wir als Exportnation mit hoher industrieller Wertschöpfung überleben wollen. Und wir brauchen eine massive Steigerung öffentlicher Investitionen im Inland.“ Zu den Brics-Staaten gehören Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.
Habeck warnt vor zu hastiger Reaktion
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat bei einem EU-Treffen zum Zollstreit mit den USA vor überhasteten Reaktionen gewarnt, sich zugleich aber für die Vorbereitung von umfangreichen Gegenmaßnahmen ausgesprochen. „Wir haben (...) keinen Zeitdruck, denn die Amerikaner haben den Druck und sind in einer Position der Schwäche“, sagte der Grünen-Politiker. Beleg seien die Äußerungen von Donald Trumps Berater und Vertrautem Elon Musk. Dieser hatte am Wochenende gesagt, er hoffe darauf, dass man sich auf eine Null-Zoll-Situation mit einer Freihandelszone zwischen Europa und Nordamerika zubewege.
Wichtig sei nun, dass Europa sich nicht spalten lasse, betonte Habeck. So dürften einzelne Länder nicht versuchen, eigene Vorteile rauszuverhandeln, dann das werde schiefgehen. „Die Stärke kommt aus der Gemeinsamkeit heraus“, sagte der geschäftsführende Wirtschaftsminister.
Als Druckmittel sollte die EU nach Ansicht von Habeck nicht nur Gegenzölle auf Importe aus den USA vorbereiten, sondern auch erwägen, Exporte zu verteuern, auf die die USA angewiesen sind. Als Beispiel nannte er Pharmaprodukte und ergänzte: „Da sehen wir, dass sie verwundbar sind.“ Zudem warb er dafür, auch die Nutzung des EU-Instruments gegen wirtschaftlichen Zwang in Erwägung zu ziehen. Über dieses könnten etwa digitale Dienstleistungen von amerikanischen Tech-Unternehmen belastet werden.
Zugleich betonte Habeck, dass eine Eskalation möglichst verhindert werden sollte. „Es geht aus meiner Sicht darum zu vermeiden, dass wir in einen Zollkrieg, Zollwettlauf einsteigen“, sagte er. Dies würde nur den Volkswirtschaften und Menschen schaden.
Ökonomen trauen jedoch der deutschen Politik nach dem Börsenbeben wenig zu. „In der kurzen Frist wird sich die neue Bundesregierung schwertun, den unmittelbaren Handelsschock abzufedern“, schreiben die Ökonomen Marc Schattenberg und Robin Winkler von Deutsche Bank Research. Daher könnte sich die bisherige Wachstumsprognose von 0,3 Prozent für 2025 als zu optimistisch herausstellen, falls sich die angekündigten US-Zölle als dauerhaft erweisen sollten. „Insgesamt neigen sich die Konjunkturrisiken für 2025 in Richtung eines dritten Rezessionsjahres in Folge“, so die beiden Experten.
Tatsächlich kündigte der deutsche Außenhandelsverband BGA bereits an, wegen des massiven Handelskonflikts seine ohnehin geringen Exporterwartungen für das laufende Jahr zu senken. „Unsere Prognose von minus 2,7 Prozent war schon historisch düster, wir werden sie im Laufe der nächsten Wochen aber noch deutlich nach unten korrigieren“, sagt BGA-Präsident Dirk Jandura. „Auch wenn Verhandlungen mit den USA noch im Raum stehen, werden die Folgen dieses Handelskriegs, den die USA begonnen haben, zu einem Einbruch des Wirtschaftswachstums, höherer Inflation und Arbeitsplatzverlusten in den USA und Europa führen.“
US-Präsident Donald Trump hatte vergangene Woche flächendeckende Zölle angekündigt. Länder der Europäischen Union werden demnach mit Aufschlägen von 20 Prozent belegt, für andere Länder, etwa China, fallen sie teils noch deutlich höher aus. Alle diese Zölle sollen am Mittwoch in Kraft treten. Für andere Länder wurde bereits seit Samstag ein Mindestzollsatz von zehn Prozent verhängt.
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