Um den Klimaschutz war es im Wahlkampf zur vorgezogenen Bundestagswahl ruhig geworden. Vor allem die Attentate in Mannheim, Aschaffenburg und Solingen hatten den Fokus auf das Thema Migration gelenkt.

Doch als sich abzeichnete, dass die Union für ihre Träume vom Kanzleramt auch die Grünen benötigen würde, war deren Herzensthema plötzlich wieder im Spiel. So werden aus dem 500-Milliarden-Euro-Schuldenpaket für die Infrastruktur nun 100 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds abgezweigt, und die „Klimaneutralität bis 2045“ schaffte es mit Hilfe des abgewählten Bundestages in das Grundgesetz.

Dass Klimaschutz zurück auf der Agenda ist, liegt aber auch daran, dass sich die Verhandlungsgruppen aus Union und Sozialdemokraten zum Themenbereich „Klima und Energie“ in ihren Beratungen zu einem möglichen neuen Koalitionsvertrag verkanteten.

Das war so nicht unbedingt zu erwarten, da der Zankapfel „Gebäudeenergiegesetz“ das Lieblingsprojekt der Grünen gewesen war und unter Beobachtern die Ansicht vorherrschte, für die SPD seien Energie- und speziell Wärmewende eher Verhandlungsmasse. Nun stehen sich im Verhandlungspapier plötzlich nicht geeinte Passagen beider Parteien unversöhnlich gegenüber.

Trotz dieses entschiedenen Eintretens der Sozialdemokraten für eher grüne Projekte macht sich in der einschlägigen Industrie bereits Unbehagen breit. Vor allem die Absichtserklärung von Unionsseite „Das Heizungsgesetz schaffen wir ab“, sorgt für Unruhe.

Es geht im Besonderen um diesen Satz: „Wir werden ein neues Recht schaffen, das einen Paradigmenwechsel weg von einer kurzfristigen Energieeffizienzbetrachtung beim Einzelgebäude hin zu einer langfristigen Betrachtung der Emissionseffizienz vollzieht.“

RWI-Studie zur Wärmewende für Weiterentwicklung des Gebäudeenergiegesetzes

Es dürfe nicht sein, dass eine neue Regierung jetzt Passagen aus dem GEG streiche, um später festzustellen, dass man aufgrund eines einbrechenden Heizungsmarktes, verfehlter Klimaziele und in der Konsequenz stark steigender CO₂-Preise erneut eingreifen muss, heißt es von Seiten des Bundesverbandes Wärmepumpe (BWP).

Und die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF), zu deren Mitgliedern unter anderem die Dämmstoffhersteller Covestro, Knauf, Sto und Rockwool sowie Wärmepumpenproduzenten und -zulieferer wie Daikin, Buderus und Grundfos zählen, mahnt die Verhandler: „Wer jetzt auf Sanierung und klare Standards verzichtet, riskiert nicht nur einen Einbruch unserer Wirtschaftskraft, unserer Energiesicherheit und die Zukunft von 600.000 Jobs, sondern verspielt auch den technologischen Vorsprung unserer Wirtschaft. Wir brauchen eine planungssichere Novelle des Gebäudeenergiegesetzes statt Rückschritte hinter bestehende Vorgaben.“

Die Befürworter einer Weiterentwicklung des Gebäudeenergiegesetzes in seiner durch die Ampel novellierten Form erhalten nun Rückendeckung durch Manuel Frondel, den Leiter des Bereichs Umwelt und Ressourcen beim RWI Essen. Der Forscher hat – unabhängig von seiner Tätigkeit für das RWI – eine vom Wirtschaftsrat der CDU geförderte Studie zur Gestaltung der Wärmewende verfasst, die WELT exklusiv vorliegt.

Darin plädiert Frondel dafür, den Zeitraum der Dekarbonisierung im Gebäudesektor deutlich zu strecken und fordert von der Politik, mehr Vertrauen in den Emissionshandel zu entwickeln. Grundlage jedes weiteren Handelns in Sachen Klimaschutz müsse dabei der Erhalt der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie die soziale Ausgewogenheit und damit Akzeptanz der entsprechenden Maßnahmen sein.

Bleibe Deutschland bei seinem Sonderweg, würde Wohnen in Deutschland noch teurer. Dabei treiben bereits heute die hohen Energiekosten die Nebenkosten – und damit die Mieten – in die Höhe.

Das im GEG enthaltene Quasi-Verbot des Einbaus neuer, reiner Gas- und Ölheizungen habe eine Reihe schwerwiegender Folgen gehabt. „Dieses Verbot wird von rund vier Fünftel der Bevölkerung abgelehnt und hat zu einer vorhersehbaren Vorziehreaktion geführt: dem Rekordzubau von rund 900.000 neuen Gas- und Ölheizungen“, kritisiert Frondel.

Vorschlag: Wärmewende in den europäischen Emissionshandel einbinden

Es wäre, so der Wissenschaftler weiter, angesichts der massiven Ablehnung des Verbots durch die Bevölkerung klüger und ökonomisch vorteilhafter gewesen, wenn die Wärmewende dem neuen EU-Emissionshandel (ETS II) für die Sektoren Wärme und Verkehr überlassen worden wäre.

Dieser, von der EU-Kommission beschlossene Markt soll ab 2027 für die Emissionen der beiden Sektoren Verkehr und Wärme eine gemeinsame, EU-weit gültige Obergrenze vorgeben und habe sich prinzipiell bereits in den Bereichen Energie und Industrie als kosteneffizient und wirksam erwiesen.

Der Vorteil wäre, dass sich Deutschland damit einem internationalen Vorstoß zur Emissionsvermeidung – zumindest innerhalb der Grenzen der EU – anschlösse. Der Emissionshandel zeichne sich dadurch aus, dass damit Klimaziele zu den volkswirtschaftlich günstigsten Kosten erreicht werden könnten und zugleich die Zielerreichung garantiert sei.

„Denn die maximale Emissionsmenge wird durch die Ausgabe einer entsprechenden Menge an Zertifikaten bestimmt. Diese Obergrenze kann nicht überschritten werden“, so Frondel.

Nationale Vorgaben und entsprechende kostenintensive Sonderwege seien dagegen kontraproduktiv. Nach Scharfschalten des ETS II gehen die hierzulande aufgrund der Einsparungen aus Heizungsgesetz und CO₂-Abgabe zusätzlich freigewordenen Zertifikate an andere Emittenten in der EU, wodurch Emissionen innerhalb der EU lediglich verlagert, nicht aber in Summe reduziert werden.

„Die Festsetzung nationaler Klimaschutzziele wie etwa im Klimaschutzgesetz ist deshalb fragwürdig“, sagt der Forscher. „Die durch den Treibhausgasausstoß verursachten negativen externen Effekte stellen ein globales Problem dar, das auch ausschließlich in internationaler Kooperation durch die Weltgemeinschaft gelöst werden kann.“

Kosten der GEG-Novelle um ein Vielfaches höher als CO₂-Zertifikate-Kosten

Selbst eine Klimapolitik auf europäischer Ebene werde auf Dauer den weltweiten Klimaschutz nicht voranbringen können, wenn sie keine internationale Unterstützung erfahre.

Wie wenig Sinn die Wärmewende deutscher Machart ergebe, zeige aber auch ein Vergleich der CO₂-Vermeidungskosten. „Nimmt man den Preis für Emissionszertifikate als Maßstab für die Kosten der Vermeidung einer Tonne CO₂, die durch den Emissionshandel ermöglicht wird, kann konstatiert werden, dass die Vermeidungskosten stets unter 100 Euro lagen“, führt Frondel aus.

Im Gegensatz zum Emissionshandel seien die CO₂-Vermeidungskosten ordnungsrechtlicher Maßnahmen wie den Vorgaben aus der GEG-Novelle notorisch intransparent und fielen oftmals um ein Vielfaches höher aus.

Als prominentes Beispiel dafür führt Frondel das seit 2024 gültige faktische Verbot des Neueinbaus rein fossil betriebener Heizungen an. Vielfach komme es dadurch zum Ersatz von Öl- oder Gasheizungen durch hohe Investitionen in Wärmepumpen.

Die CO₂-Vermeidungskosten, die damit verbunden sind, sind ungleich höher als die bisherigen Preise für Emissionszertifikate. Die impliziten CO₂-Preise für den Ersatz einer Ölheizung durch eine Wärmepumpe taxiert Frondel auf rund 600 Euro, bei einer Gasheizung liege die Summe gar bei 1300 Euro.

Auch das oft eingebrachte Argument, Deutschland werde mit seiner Wärmewende zum Vorbild, dem am Ende die ganze Welt folgen würde, lässt Frondel nicht gelten. „Bringt die Politik mit teuren Emissionsvermeidungsmaßnahmen wie dem faktischen Verbot des Einbaus neuer Öl- und Gasheizungen die Bevölkerung gegen sich auf, wird die deutsche Wärmewende weltweit wohl kaum als ein Vorbild angesehen, dem andere Länder nacheifern werden.“

So verursache die deutsche Politik immens hohe Kosten für die Gesellschaft, helfe aber kaum bei der Reduzierung von Emissionen im globalen Maßstab.

Deutschland sollte sein Ziel der Klimaneutralität um fünf Jahre verschieben

Nicht zuletzt sollte Deutschland sein Ziel, im Jahr 2045 Klimaneutralität erreichen zu wollen, um fünf Jahre verschieben und Klimaneutralität erst im Jahr 2050 anstreben, meint Frondel: „Deutschland kann mit seinem Bestreben, die Klimaneutralität bereits im Jahr 2045 erreichen zu wollen, wenig gewinnen, aber sehr viel verlieren. Es wäre daher ökonomisch rational, wenn Deutschland sein Zieljahr für die Klimaneutralität an das Zieljahr der Europäischen Union angleichen würde.“

Aus der Immobilienwirtschaft bekommt Frondel Rückhalt. Lars von Lackum, Vorstandsvorsitzender des börsennotierten Immobilienkonzerns LEG und zugleich Vorsitzender der Fachkommission Bau, Immobilien und Smart Cities beim Wirtschaftsrat, sagt: „Wir müssen weg von den dirigistischen Vorgaben des deutschen Heizungsgesetzes und der europäischen Gebäuderichtlinie, die Mieter und Eigentümer finanziell gleichermaßen überfordern, hin zu einer kosteneffizienten Steuerung über den CO₂-Preis.“

Das europäische Emissionshandelssystem für Energie und Industrie mache erfolgreichen Klimaschutz vor: Genau so entfalte jeder investierte Euro maximale Wirksamkeit.

Michael Höfling schreibt für WELT über Immobilien, Wirtschaftspolitik und Gold. Gemeinsam mit Michael Fabricius ist er für den Immobilien-Newsletter „Frage der Lage“ zuständig.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke