Deutschlands Wirtschaft wird von einer Pleitewelle überrollt. Seit etlichen Monaten steigt die Zahl der Unternehmensinsolvenzen, meist im zweistelligen Prozentbereich. „Die Wirtschaftskrise kostet immer mehr Betriebe die Existenz“, sagt Volker Treier, Außenwirtschaftschef und Mitglied der Hauptgeschäftsführung bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), mit Verweis auf zuletzt zwei Rezessionsjahre in Folge.

Fast 22.000 Firmenpleiten meldet das Statistische Bundesamt für 2024, das sind so viele wie seit fast zehn Jahren nicht mehr. Die Steigerungsrate liegt der Behörde zufolge bei 22,4 Prozent, ein Jahr zuvor hatte es bereits einen Sprung von gut 22 Prozent gegeben.

„Die Unternehmen sehen sich mit erheblichen Problemen konfrontiert“, erklärt Frank Schlein, Deutschland-Geschäftsführer des Finanzinformationsdienstleisters Crif. Er nennt vor allem fehlende Aufträge angesichts der anhaltend schwachen Binnenkonjunktur und des zugleich lahmenden Welthandels, die schlechten Standortbedingungen durch hohe Kosten für Energie und Personal sowie die stetig steigende Bürokratiebelastung.

Viele Unternehmen hätten zudem Strukturanpassungen verschlafen. Dazu komme ein Nachholeffekt aus der Pandemie. Immerhin war während der Corona-Zeit die Insolvenzantragspflicht für viele Monate ausgesetzt, und es gab teils massive staatliche Hilfen.

„In der Summe führt das Vorhandensein nicht nur einer, sondern mehrerer parallel verlaufender Krisen zu mehr finanzieller Instabilität bei den Unternehmen“, sagt Schlein.

Der volkswirtschaftliche Schaden ist groß. Zumal es im vergangenen Jahr einen deutlich überdurchschnittlichen Anstieg bei Großinsolvenzen gegeben hat, wie eine Creditreform-Analyse zeigt. Die Höhe der Forderungsverluste schätzt die Wirtschaftsauskunftei in ihrer Erhebung auf rund 56 Milliarden Euro.

Untersuchungen zeigen, dass Gläubiger in den meisten Fällen weitgehend leer ausgehen und in mehr als 90 Prozent der Fälle auf den Großteil ihrer Forderungen verzichten müssen. Die Zahl der bedrohten oder weggefallenen Arbeitsplätze beziffert Creditreform auf rund 320.000 Stellen. Ein solches Niveau gab es zuletzt im Corona-Jahr 2020.

Präsent in der Öffentlichkeit wird das Thema dabei durch mehrere prominente Pleitefälle. 2024 gehörten dazu unter anderem die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof, der Reisedienstleister FTI Touristik, die Einzelhandelsketten Depot, Esprit und Sinn, der Haushalts-Discounter Kodi oder der Küchenartikel-Hersteller Tupperware und das Handelsunternehmen Weltbild.

Besserung scheint nicht in Sicht: Experten prognostizieren für 2025 weiter steigende Insolvenzzahlen. „Fast jedes fünfte Unternehmen kämpft mit Liquiditätsschwierigkeiten, so viele wie seit der Corona-Pandemie nicht mehr“, sagt Ökonom Treier mit Verweis auf eine aktuelle DIHK-Konjunkturumfrage.

Besonders betroffen seien dabei der Kraftfahrzeugbau, das Gastgewerbe sowie Gesundheits- und soziale Dienste. Finanzdienstleister Crif sagt bis zu 26.000 Firmenpleiten voraus, also erneut einen zweistelligen Anstieg.

Von den Rekordzahlen vergangener Krisen ist das allerdings noch weit entfernt. Die meisten Unternehmensinsolvenzen gab es laut Statistik im Jahr 2004 mit 39.213 Fällen, während der Finanzkrise 2009 waren es fast 33.000.

Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie über Recycling und Mittelstandsunternehmen.

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