Sébastien Chabal hat 62 Mal in der französischen Rugby-Nationalmannschaft gespielt. Erinnern kann er sich an keine einzige Partie. Er war einer der Stars der Rugby-Branche, hat für seine Klubs in 327 Duellen mitgewirkt, teils in epischen Schlachten, doch keine davon kann er Revue passieren lassen. Er habe „keine Erinnerungen“ an seine Laufbahn, erzählte Chabal. Es ist ein bestürzendes Eingeständnis.

Chabal ist 47. Die Augen dunkel, der schwarze Bart lang und wild, Haare wie eine Mähne. 1,91 Meter groß, während seiner Karriere 115 Kilo schwer, ein Kerl wie ein Baum, mit astdicken Unterarmen. Ein Athlet, wie aus der Wildnis entsprungen und dann in ein Trikot gesteckt. Sie gaben ihm einst in der Rubgyszene den Spitznamen „Caveman“. Seine Auftritte auf und neben dem Platz brachten ihn Berühmtheit ein. Konzerne rissen sich um ihn, mit Chabal war trefflich Werbung zu machen.

„Ich habe den Eindruck, dass ich es nicht war“, sagt Chabal

Doch der Sport hatte einen Preis und fordert nun Tribut. „Ich erinnere mich an keine einzige Sekunde eines Rugbyspiels, das ich gespielt habe“, berichtete Chabal in einem Interview auf dem YouTube-Kanal „Legend“. Auch die Auftritte mit der Nationalmannschaft seien wie ausgelöscht.

„62 Mal muss ich unsere Nationalhymne, Marseillaises, gehört haben. Aber ich entsinne mich an keinen einzigen Moment“, sagt er: „Jedes Mal erzähle ich meiner Frau davon und sage: ‘Ich habe das Gefühl, dass nicht ich es war, der Rugby gespielt hat'. Ich dachte immer, dass ich ein Hochstapler bin, weil ich zufällig dorthin gekommen bin. Da ich mich nicht erinnern kann, habe ich den Eindruck, dass ich es nicht war.“

Zwischen 2000 und 2011 war er Teil der Nationalmannschaft. Bei Weltmeisterschaften war für ihn 2003 und 2007 stets im Halbfinale Endstation, 2007 und 2010 gewann er mit Frankreich das Six-Nations-Turnier.

In dem Gespräch nimmt Chabal jedoch kein einziges Mal das Wort „Gehirnerschütterung“ in den Mund. Eine solche dürfte er jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mehrfach erlitten haben. Einen Neurologen habe er indes nie konsultiert, erzählte Chabal. „Was soll man machen?“, sagte er, „mein Gedächtnis kehrt nicht zurück. Warum sollte ich also zum Arzt gehen?“

Das Schicksal teilt er mit einigen Rugby-Spielern. Hirnverletzungen durch Kopfstöße und Folgeschäden wie die Motoneuronen-Krankheit, früh einsetzende Demenz, Epilepsie und die Parkinson-Krankheit sind keine Seltenheit unter ihnen. Eine Gruppe von fast 300 ehemaligen Spielern, darunter die englischen Weltcupsieger Steve Thompson und Phil Vickery, hatte deswegen im Dezember 2023 Klage wegen Hirnverletzungen erhoben.

Die Spieler behaupten, dass die großen Verbände World Rugby, die Welsh Rugby Union und die RFU es versäumt haben, angemessene Maßnahmen zum Schutz ihrer Gesundheit und Sicherheit zu ergreifen. Thompson und der ehemalige walisische Nationalspieler Alix Popham haben beide bekannt gegeben, dass sie an einer früh einsetzenden Demenz leiden.

Chabal berichtete unterdessen, dass er „ein paar Kindheitserinnerungen“, habe: „Ich glaube, das liegt daran, dass man mir davon erzählt hat. Ich habe nicht diese Erinnerung an vergangene Momente.“ Ansonsten sei „alles gelöscht“. Er wisse beispielsweise nicht, wann seine Tochter Geburtstag hat.

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