Eine gigantisches Pentagramm hüllte die Westtribüne ein, am unteren Rande war ein Spruchband gespannt mit einer Botschaft, die aus einem Horrorfilm stammen könnte: „Exaudinos Lucifer Et Surge Ex Abysso Sume Animas Nostras“ – „Erhöre uns Luzifer, und erhebe dich aus dem Abgrund, nimm unsere Seelen“. Der ließ sich nicht lange bitten: Unter gewaltiger Rauchententwicklung stieg aus dem Pentagram eine diabolisch grinsende Teufelsfratze empor.

Wer am vergangenen Samstag im Fritz-Walter-Stadion war, konnte sich der speziellen Atmosphäre nicht entziehen. Die Stimmung, die dort vor, während und nach dem 3:1 des 1. FC Kaiserslautern, der „Roten Teufel“, gegen Fortuna Düsseldorf herrschte, war großes Kino und ging weit über den üblichen Rahmen eines Fußballspiels hinaus. Der Betzenberg, auf dem die Spielstätte des pfälzischen Traditionsvereins thront, ist nach wie vor eines der lautesten und lebendigsten Stadien Deutschlands.

„Unsere Fans sind unglaublich. Was sie immer wieder abreißen, ist bemerkenswert“, sagt Thomas Hengen. Wer mit dem Geschäftsführer redet, der seit vier Jahren die Geschicke des FCK lenkt, muss sich darauf einstellen, dass er von selbst auf die Anhänger zu sprechen kommt. Allein an der teuflischen Choreografie hatten sie wochenlang gearbeitet. Hengen konnte die Ultras dabei beobachten, wenn er sein Büro verließ. „Hier gibt so viele Fußballverrückte“, sagt er: „Und wir alle leben den Verein.“

Die Sünden der Vergangenheit sind noch deutlich spürbar

Die Leidenschaft der Menschen ist der entscheidende, vielleicht sogar der einzige Grund, dass es den Klub noch gibt – und dass er in dieser Saison erstmals nach 13 Jahren wieder an das Tor der Bundesliga klopfen kann. Sieben Spieltage vor Schluss, vor der aktuellen Spielrunde, stand die Mannschaft auf dem dritten Platz, dem Relegationsrang. Am Sonntag muss sie bei den nur drei Zähler hinter ihr liegenden Magdeburgern antreten (13.30 Uhr, im Sport-Ticker der WELT).

Das Wort „Aufstieg“ meidet Hengen allerdings. „Wir bleiben demütig, weil wir wissen, wie eng die Liga ist. Zudem sind wir erst im dritten Jahr dabei, also quasi noch ein Frischling“, sagt er WELT AM SONNTAG. Die Zurückhaltung hat Gründe. Denn auch wenn das Gründungsmitglied der Bundesliga und der viermalige Deutsche Meister für ältere Fans gefühlt immer noch Bestandteil des Fußball-Establishments ist: Rein wirtschaftlich gesehen, ist der FCK im Kreise der Aufstiegsfavoriten ein Underdog. Das hängt mit den Sünden der Vergangenheit zusammen. Und von denen hat es in Kaiserslautern reichlich gegeben.

Als Hengen 2021 in die Verantwortung kam, befand sich der Klub in einer tiefen Krise. Die Mannschaft war in der Dritten Liga. Nicht mal ein Jahr zuvor hatte die ausgegliederte Profiabteilung in die Planinsolvenz gehen müssen. Verbindlichkeiten drückten, die Zahlungsunfähigkeit drohte, sportlich stand der FCK vor dem Abstieg in die Regionalliga. Wäre es dazu gekommen – die Lichter wären womöglich für immer ausgegangen.

Seither ist einiges passiert. Der Abstieg konnte verhindert werden, 2022 gelang die Rückkehr in die Zweite Liga. Es folgten Jahre der Konsolidierung sowie ein erstes sportliches Ausrufezeichen: Im vergangenen Mai schaffte es die Mannschaft, obwohl sie in der Liga erst am vorletzten Spieltag den Klassenverbleib sichern konnte, bis ins DFB-Pokalfinale, wo es ein 0:1 gegen Leverkusen gab. Die Fernsehgelder in der Zweiten Liga sowie die unerwarteten Zusatzeinnahmen aus dem Pokal gaben Planungssicherheit. Doch ein echter Aufstiegskandidat dürfte der FCK noch nicht sein. Denn die Verfehlungen der Vergangenheit wirken immer noch nach.

„Wir haben zwar ein Fundament gelegt, aber es muss weiter verstärkt werden. Dazu ist es nötig, die kontinuierliche Entwicklung weiterzuführen“, erklärt Hengen. Gegenüber dem Tabellennachbarn Paderborn bekommen die Kaiserslauterer über vier Millionen Euro weniger an TV-Geldern. Das ist die Folge des unfreiwilligen Abstechers in die Dritte Liga, dadurch fiel der Verein aus der Fünf-Jahres-Wertung, die maßgeblich für die Verteilung der Einnahmen aus der Zentralvermarktung ist.

Immerhin: Die Zeiten, in denen wegen der finanziellen Zwänge nur auf Sicht gefahren werden konnte, sind vorbei. Vor vier Jahren, so Hengen, sei an langfristige strategische Entwicklung nicht zu denken gewesen. Das ist heute anders. Es kann sogar wieder investiert werden: 2023 konnte Torjäger Ragnar Ache für eine Million Euro Ablöse geholt und im vergangenen Sommer konnten knapp zwei Millionen Euro netto in den Kader investiert werden.

In Kaiserslautern herrscht ein anspruchsvolles Betriebsklima

Die entscheidende Verpflichtung war allerdings die von Markus Anfang als Cheftrainer. Denn um den nächsten Schritt zu gehen, musste sich die Spielweise ändern. „Wir wollten uns von einer Umschaltmannschaft zu einer Ballbesitzmannschaft entwickeln. Dazu benötigst du einen Trainer, der das spielen lassen will – und Spieler, die das können“, sagt Hengen. Mit Anfang wurde eine neue Stufe der Professionalisierung erreicht. Die Vorbereitungen der Mannschaft auf die Spiele, die taktischen Schulungen, die veränderten Abläufe – dies war in gewisser Weise Neuland für Spieler, die schon länger dabei waren. Es erzeugte auch Reibung – und das war auch so gewünscht.

„Wir müssen nicht immer einer Meinung sein, wir wollen erfolgreich sein“, beschreibt Hengen das durchaus anspruchsvolle Betriebsklima, das mittlerweile auf mehr oder weniger allen Ebenen im Klub herrscht. Zu Drittligazeiten musste viel improvisiert werden, Mitarbeiter hatten mehrere Jobs zu erledigen. „Derzeit gehen wir in die Spezialisierung“, so Hengen. Das ist einerseits gut – andererseits auch gewöhnungsbedürftig: „Der Leistungsdruck ist jetzt ein ganz anderer, dem muss sich jeder stellen. Das ist nicht immer einfach.“

Es ist die Aussicht, dass es die „Roten Teufel“ wieder ganz nach oben schaffen können, die die Fans hinter ihrem Klub versammelt. Die ersten Effekte der Aufbauarbeit sind erkennbar. Das Publikum hat sich verjüngt. „Du siehst wieder viele Kinder im FCK-Trikot in der Stadt und im Stadion“, sagt Hengen. Die Mühen haben sich gelohnt – was nicht heißt, dass die Anforderungen geringer werden. Im Gegenteil: Zu Stoßzeiten und bei besonderen Anlassen wie im vergangenen Jahr rund um das Pokalfinale muss auf der Geschäftsstelle auch mal durchgearbeitet werden. Es könnte sein, dass das bald wieder droht – sollte es mit der Rückkehr in die Bundesliga tatsächlich klappen.

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