Vor 15 Jahren sorgt der Stürmer des Hamburger SV, Paolo Guerrero, für einen Skandal. Von einem Fan provoziert, lässt er sich zu einer Tätlichkeit hinreißen. Der Flaschenwurf von Hamburg ist ein Novum in der Geschichte der Bundesliga.
"Auch wenn Guerrero von einem Zuschauer provoziert worden sein sollte, gilt für ihn das, was auch auf dem Platz gilt: Ein Sportler kennt keine Rache. Wer sich nicht daran hält, wird bestraft." Der DFB-Kontrollausschuss-Vorsitzende Anton Nachreiner reagierte deutlich nach einem Fall, den es so zuvor in der Bundesliga-Geschichte noch nie gegeben hatte: "Ich habe keinen Präzedenzfall in Erinnerung, dass so etwas schon einmal in Deutschland passiert ist." Doch die anschließende Bestrafung seitens des DFB-Sportgerichts empfanden angesichts des schockierenden Vorfalls viele als einen Skandal. Doch was genau war am 04. April 2010 im Hamburger Stadion eigentlich passiert?
Es war der 29. Spieltag der Saison 2009/10. Der Hamburger SV spielte zu Hause gegen den Abstiegskandidaten Hannover 96. Es rumorte damals in der Hansestadt. Angeblich war die Abfindungszahlung an den Trainer Bruno Labbadia bereits geregelt. Und Paolo Guerrero hatte seinem Coach in der Saison nur bedingt helfen können, denn gerade erst war der HSV-Stürmer nach mehrmaligen vergeblichen Anläufen, in einen Flieger zu steigen, aus seinem Heimatland Peru nach Hamburg zurückgekehrt. Wegen seiner Aviophobie (Flugangst) hatten die Hamburger sogar extra einen Betreuer nach Südamerika geschickt, um zu erkunden, auf welchen Wegen man den Kicker - außer mit dem Flugzeug - noch zurück in die Hansestadt bringen könne. Schließlich sollte Paolo aber doch fliegen.
Für einen Moment herrscht Schockstarre
Heimgekehrt nach Hamburg war er nach seiner bereits sechs Monate andauernden Verletzungspause aber dennoch nicht einsatzfähig. Denn Guerrero - und das entbehrt nicht ganz einer gewissen Komik - hatte sich ausgerechnet bei einem Sprint auf dem Flugplatz, weil er seinen Flieger unbedingt noch erreichen wollte, einen Muskelfaserriss zugezogen. Und so sollte die Partie gegen Hannover 96 überhaupt erst das sechste Spiel des Peruaners in der laufenden Runde werden. Doch beim enttäuschenden 0:0 gegen Hannover 96 gelang ihm, wie seinen Mitspielern und auch dem Gegner, an diesem Tage nach seiner Einwechslung zur Pause herzlich wenig.
Dementsprechend schlecht war die Stimmung im Stadion und beim Peruaner selbst. Und als dann nach dem Schlusspfiff beim Gang in die Katakomben auch noch ein Fan Paolo Guerrero übel beschimpfte, brannten beim HSV-Stürmer alle Sicherungen durch. Wutentbrannt schleuderte Guerrero mit voller Wucht aus dem Innenraum eine gefüllte Trinkflasche auf die Tribüne - und traf den pöbelnden Anhänger zielsicher mitten am Kopf. Für einen Moment herrschte Schockstarre bei den Zuschauern drumherum, doch dann ging das wilde Beschimpfen zwischen dem getroffenen Fan und dem Peruaner weiter.
HSV-Keeper Frank Rost reagierte bei Ansicht der irritierenden Bilder äußerst befremdlich, als er lapidar meinte: "Da hat er gut getroffen. Die New York Yankees würden ihn wohl gerne verpflichten." Für Rost war die Sache klar: Wer auf solch eine Weise die eigenen Spieler anpöbelt, der müsse einfach damit rechnen, dass auch einmal was zurückkommen würde. Paolo Guerrero selbst, sagte mit ein paar Tagen Abstand: "Mein Verhalten nach dem Hannover-Spiel war der größte Fehler meiner Karriere. Aber ich habe keinen umgebracht."
"Guerrero trifft in der Nachspielzeit"
Doch die Einsicht kam natürlich zu spät, um eine Strafe abzuwenden. Der HSV reagierte sofort und brummte seinem Spieler die - angeblich bis heute höchste - vereinsinterne Strafe aller Zeiten auf. Die Rede war damals von 100.000 Euro. Zudem sperrte der DFB Guerrero für den Rest der Saison (5 Spiele) und verhängte zusätzlich eine Geldstrafe in Höhe von 20.000 Euro. Doch dabei blieb es nicht. Auch das Amtsgericht Hamburg-Altona ordnete eine Geldstrafe von 100.000 Euro (zahlbar an eine gemeinnützige Einrichtung) und eine zweijährige Bewährungsstrafe an. Guerrero akzeptierte alles klaglos - ihm ging es nach dem Eklat vielmehr um die Fortsetzung seiner eigenen Karriere.
Doch zuallererst musste der Peruaner noch den Spott der Internetgemeinde über sich ergehen. Und der hatte es durchaus in sich. Allerdings zumeist auf eine höchst humorvolle Art und Weise. So schrieben die Fußballfans beispielsweise: "Der Arme Paolo Guerrero war so verzweifelt, dass er zur Flasche griff", "Guerrero trifft in der Nachspielzeit" oder auch "Wurde die Flasche, die Paolo Guerrero geworfen hat, eigentlich vorher gefragt, ob sie unter Flugangst leidet?"
Der Hamburger SV verlängerte übrigens nur einen Monat nach der Aktion den auslaufenden Vertrag seines Spielers um vier weitere Jahre. Paolo Guerrero, der "die Aktion nicht verharmlosen" wollte, meinte dazu: "Es ist ein schönes Gefühl, wenn einen der HSV nicht fallen lässt." Und auch die Fans des Klubs verziehen ihrem Profi aus Peru nach einer gewissen Zeit. Doch nachdem Guerrero zwei Jahre später nach einer weiteren irren Aktion - damals gegen den VfB-Keeper Sven Ulreich - vom Platz flog und für mehrere Wochen vom DFB gesperrt wurde, war seine Zeit in der Hansestadt beendet. Im Rückblick wäre eine Trennung direkt nach dem Flaschenwurf zwei Jahre zuvor vermutlich der bessere und nachvollziehbarere Schritt gewesen. Denn wie viele Fußballfans damals schon anmahnten, hatte das (milde) Strafmaß des DFB offensichtlich keine größere Wirkung erzielt.
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