Wie Phoenix aus der Asche: Was für ein Comeback von Leon Goretzka. Am vergangenen Donnerstag kehrt der Bayern-Star 485 Tage nach seinem bislang letzten Länderspiel in den Kader der deutschen Nationalmannschaft zurück. Bundestrainer Julian Nagelsmann nominierte den 30-jährigen Mittelfeldspieler für das Nations-League-Viertelfinale gegen Italien (20. März in Mailand, 23. März in Dortmund).

Seinen letzten Einsatz für die Nationalelf hatte Goretzka (57 Länderspiele) zuvor am 21. November 2023 beim 0:2 in Österreich. Für die Heim-EM im Sommer 2024 wurde er von Nagelsmann nicht nominiert. Ein Tiefpunkt seiner Karriere, der ihn bis heute noch schmerzt. Jetzt ist Goretzka wieder zurück im Trikot des Deutschen Fußball Bundes (DFB) – und auch bei Bayern plötzlich wieder Stammspieler. Beim 1:1 (0:0) am Samstag in Berlin stand der Mittelfeldmann erneut in der Startelf. Der Rekordmeister war durch Leroy Sané (75. Spielminute) in Führung gegangen, musste aber nach einem bösen Patzer von Ersatztorwart Jonas Urbig noch den Ausgleich durch Benedikt Hollerbach (84.) hinnehmen.

Trotz des kleinen Rückschlags in der Hauptstadt ist es eine recht beeindruckende Wende, die Goretzka derzeit durchlebt. Denn bereits zweimal stand er auf der Münchner Verkaufsliste – im Sommer 2023 und auch vor dieser Saison. Zweimal stemmte sich Goretzka gegen seine Ausbootung. Er steckte alle Tiefschläge im Verein und beim DFB weg. Es waren zwei Achterbahn-Jahre für Goretzka.

Alles begann Ende März 2023 mit Bayerns Trainerwechsel von Nagelsmann zu Thomas Tuchel. In den letzten Partien der Saison 2022/23 setzte der ehemalige Trainer der Münchner immer weniger auf Goretzka. Bei der Last-Minute-Meisterschaft in Köln (2:1) durfte Ryan Gravenberch (jetzt beim FC Liverpool) von Beginn an ran, Goretzka lediglich zwölf Minuten spielen.

Zur Saison 2023/24 kam dann Tuchel-Liebling Raphaël Guerreiro ablösefrei von Borussia Dortmund. Der Trainer gab Goretzka zum Verkauf frei, wollte dafür lieber noch eine teure „Holding Six“ wie Declan Rice (wechselte für 122 Millionen Euro zum FC Arsenal). Goretzka wollte aber nicht weg, sagte während der Saison-Vorbereitung demonstrativ: „Ich liebe den Verein, ich liebe die Stadt, ich liebe die Fans, und ich möchte hier einfach weitermachen. Da gibt es keine Gedanken, den Verein zu verlassen.“ Die Fans feierten ihn dafür.

Goretzka und Nagelsmann sprachen nicht miteinander

Goretzka blieb trotz der Bank-Rolle, wurde dann durch Verletzungen plötzlich gebraucht und absolvierte am Ende 42 Saisonspiele (sechs Tore, elf Vorlagen).

Trotzdem hatte er allerdings keinen Stammplatz – und auch beim neuen Bundestrainer keine Chance mehr. Am 14. Mai 2024 teilte Nagelsmann dem Bayern-Star mit, dass dieser nicht Teil des EM-Kaders sei. Die Unterhaltung soll lautstark und von Goretzka mit großem Ärger und Unverständnis geführt worden sein. Seitdem gab es bis jetzt keine weitere Nominierung und auch kein Gespräch zwischen ihm und dem Bundestrainer.

Das mittlerweile funktionierende Gebilde des DFB-Kaders wollte Nagelsmann nicht für Goretzka umkrempeln. Dem Star hing in DFB-Kreisen immer noch nach, dass er bei der WM 2022 in Katar auch mit einem politischen Gedanken antrat. Er motivierte seine Mitspieler vor dem Auftaktspiel gegen Japan zur Mund-zu-Geste. Der Einfluss des starken Charakters auf die eingeschworene DFB-Gruppe soll bei Nagelsmann Bedenken hervorgerufen haben.

Vor der aktuellen Saison die nächste Ausbootung im Verein: Sportvorstand Max Eberl machte Goretzka klar, dass er es bei der Konkurrenz auf der Sechs mit Joshua Kimmich, João Palhinha, Konrad Laimer und Aleksandar Pavlovic schwer haben wird, auf Spielzeiten zu kommen. Goretzka suchte sich wieder keinen neuen Verein und biss sich durch. Mit Erfolg. Goretzka ackerte als Reservist im Training vorbildlich, machte keinen Stunk und nahm sich öffentlich zurück. Das kam bei den Bayern-Bossen gut an und wurde auch beim DFB positiv registriert.

Jetzt ist er wieder Stammspieler, weil Palhinha verletzt, krank oder gesperrt ist und noch keine 49,5-Millionen-Leistungen zeigt und Pavlovic am Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankt ist – nach dem Liga-Duell bei Union Berlin steht Goretzka daher schon bei 32 Saisonspielen (fünf Tore, eine Vorlage).

Trainer Vincent Kompany hält viel von Goretzka: „Er hat immer weitergekämpft. Es war nicht einfach, er war nicht glücklich, aber es war auch gut, dass der Verein ehrlich war – aber danach hat Leon auf dem Platz gesprochen.“

Starke sportliche Leistungen wie im Achtelfinale der Champions League gegen Bayer Leverkusen (3:0, 2:0) führten dazu, dass sich auch die Team-Kollegen für eine DFB-Rückkehr stark machten. Nationalelf-Kapitän Kimmich sagte: „Am Ende muss es Julian entscheiden, aber es wird hoffentlich immer so sein, dass die besten Spieler eingeladen werden – und momentan gehört Leon absolut zu den besten Spielern.“

Und Goretzka sagte öffentlich: „Wenn Julian mich anrufen sollte, werde ich abheben. Dann kann man sicherlich auch einige Dinge, die im Sommer passiert sind, besprechen.“ Nagelsmann kam nicht mehr an einer Nominierung des Mittelfeld-Stars vorbei. Am vergangenen Mittwoch gab es dann ein Treffen der beiden in München.

Goretzka soll nun mithelfen, dass auch die Nationalmannschaft reüssiert. „Es sind zwei Spiele, die wir absolut positiv gestalten müssen und auch wollen“, versicherte Nagelsmann mit Blick auf die K.o.-Duelle der vierfachen Weltmeister am 20. März (20.45 Uhr/ARD) in Mailand und drei Tage später (20.45 Uhr/RTL) in Dortmund, bei denen es primär um den Einzug in die Finalrunde des UEFA-Wettbewerbs Anfang Juni geht. Der Gewinner ist dann auch Gastgeber des Miniturniers.

Für Goretzka stellt sich danach die Frage: Wie geht es nun nach dieser sportlichen Renaissance für ihn bei seinem Arbeitgeber weiter? Sein Vertrag gilt noch bis zum Sommer 2026. Auch nach dieser Saison ist er ein Verkaufskandidat. Eberl könnte so noch eine Ablöse kassieren – und vor allem das 17-Millionen-Gehalt einsparen. Aber: Momentan denkt Goretzka erneut nicht an Abschied. Und die Fans stehen hinter ihm: In einem BILD-Voting mit rund 43.000 Teilnehmern sprachen sich 92 Prozent für seinen Verbleib aus.

Ob die Bayern-Bosse doch noch mal umdenken?

Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) verfasst und zuerst in BILD AM SONNTAG veröffentlicht.

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