Aktuell ist der 1. FC Heidenheim das Schlusslicht der Fußball-Bundesliga. Dass die Mannschaft aus Baden-Württemberg, die sechs Punkte Rückstand auf den rettenden Platz 15 hat, den Klassenverbleib noch schaffen kann, gilt aktuell noch als durchaus realistisch. Dass sie nächste Saison Meister wird, ist hingegen unvorstellbar. So etwas geht wohl nur in der Formel 1.
Der Beweis dafür ist McLaren. Nachdem das Team zu Saisonbeginn 2023 das schlechteste der Rennserie war, krönte sich der britische Traditionsrennstall vergangenes Jahr zum Konstrukteurs-Weltmeister. Eine rasante Entwicklung, bei der die „Papayas“, wie das Team aufgrund seiner orangefarbenen Autolackierung genannt wird, die Topteams um Mercedes, Red Bull und Ferrari scheinbar mit Leichtigkeit und im Eiltempo überholten. Auch darum geht McLaren als Titelfavorit in die neue Saison, die an diesem Sonntag mit dem Rennen in Australien beginnt (5.00 Uhr, im Sport-Ticker bei WELT).
Die Initialzündung für den Erfolg gab es im Mai 2024. Nachdem McLaren nur als viertstärkste Kraft in die Saison gestartet war, revolutionierten die Ingenieure um Technikdirektor Peter Prodromou den „MCL60“. Beim Großen Preis von Miami installierte das Team gleich elf Neuerungen an den Boliden von Lando Norris und Oscar Piastri. Zum Vergleich: Normalerweise haben die Rennställe maximal ein Upgrade im Gepäck.
Norris gilt im Lager der Formel 1 als größter Herausforderer von Verstappen
McLaren aber setzte alles auf eine Karte – und gewann. Nicht nur in Miami, wo Norris den ersten Saisonsieg einfuhr, sondern auch das Rennen um den WM-Titel. Mit dem Gewinn der Konstrukteursmeisterschaft konnte McLaren erstmals seit 1999 wieder eine Weltmeisterschaft feiern. Damals siegte Mika Häkkinen in der Fahrerwertung. Die beiden aktuellen McLaren-Piloten waren zu der Zeit noch nicht geboren.
Was Häkkinen damals gelang, will McLaren dieses Jahr zusätzlich schaffen – den Gewinn der Fahrermeisterschaft. Norris gilt im Lager der Formel 1 als größter Herausforderer von Red Bulls Max Verstappen, der sich 2024 zum vierten Mal in Folge zum Champion krönte – vor dem Briten im McLaren. Während der Titelverteidiger der beste Fahrer im Feld ist, hat Norris den schnellsten Dienstwagen.
Neben Technikdirektor Prodromou hat ausgerechnet ein ehemaliger Red-Bull-Mitarbeiter großen Anteil an diesem Status: Rob Marshall. McLarens Designchef lernte unter der Führung von Adrian Newey, der Aerodynamik-Legende der Formel 1, beim Rennstall des Energydrink-Konzerns. Sein Wissen bringt er jetzt bei McLaren ein. Teamchef Andrea Stella sagt: „Rob ist ein ungemein wichtiger Faktor für uns. Manchmal legt er sich in der Garage unter das Auto, weil er nicht nur in der Theorie lebt, sondern auch in der Praxis. Er hat dann auch schon mal einen schwarzen Fleck auf der Stirn, weil er sich mit seiner dreckigen Hand am Kopf kratzt. Das ist eine Mentalität, die wir hier benötigen.“
Stella muss es wissen. Der Italiener war bei Ferrari, als die Scuderia Anfang der 2000er-Jahre unter der Führung von Teamchef Jean Todt und mit Michael Schumacher als Fahrer die Königsklasse des Motorsports dominierte. „Von Leuten wie ihnen habe ich gelernt, wie ich erfolgreich arbeite. Diese Einstellung will ich auch bei McLaren sehen“, sagt der studierte Luftfahrtingenieur, für den vor allem die Verlässlichkeit der Autos entscheidend ist. Kein einziges Mal fielen die McLaren bei den 24 Grands Prix vergangenes Jahr aus. Stella: „Das ist herausragend. Bei Ferrari war die Zuverlässigkeit damals wie eine Religion. Die war dort heilig.“
Eine weiße Weste, die Red Bull nicht aufweisen kann. Verstappen fiel 2024 in Melbourne (Australien) mit brennenden Bremsen aus. Schlimmer aber waren die Leistungen von Teamkollege Sergio Perez, der viermal nach Unfällen ausschied und viermal die Punkte verpasste – der Hauptgrund, warum Red Bull in der Konstrukteurswertung hinter McLaren und Ferrari fiel. Zur neuen Saison wird er auch deshalb durch den Neuseeländer Liam Lawson ersetzt. Eine Entwicklung, die Anfang der vergangenen Saison nicht abzusehen war.
Genauso wie die Tatsache, dass Teamchef Christian Horner noch im Amt ist. Die Nachricht darüber, dass sich der Brite anzüglich gegenüber seiner Assistentin verhalten haben soll, erschütterte die Formel 1. Intern brach bei RB ein Machtkampf unter den Leitbullen Horner und Helmut Marko aus. Während Horner den Rückhalt der Mechaniker und mancher Ingenieure hatte, stand Verstappen hinter dem Motorsport-Boss. Der Niederländer knüpfte seine Zukunft im Team sogar öffentlich an die seines Entdeckers und Förderers. Der Machtkampf hat einen Graben geschaffen, den Rennstall in zwei Lager geteilt. Marko bezeichnet das als „sportliche Zweckgemeinschaft“.
Red Bull ist hinter McLaren und Ferrari nur drittstärkste Kraft
Nachdem das interne Verfahren gegen Horner Mitte vergangenen Jahres eingestellt wurde – ein öffentlicher Gerichtsprozess folgt im Januar 2026 – ist es ruhiger geworden. Red Bull dementiert bis heute vehement, dass der Konflikt Einfluss auf die Leistungen auf der Strecke hatte, aber Fakt ist, dass RB es anders als in den Jahren zuvor nicht schaffte, seinen Boliden weiterzuentwickeln. Das hat auch über den Winter nicht geklappt. Red Bull ist hinter McLaren und Ferrari nur drittstärkste Kraft. Einige Experten sehen sogar Mercedes noch vor dem Team von Weltmeister Verstappen. Im Kampf um die WM schreibt den Niederländer trotzdem niemand ab – aber Red Bulls Schwäche gibt McLaren noch vor dem ersten gefahrenen Kilometer der Saison Aufwind im Rennen um die beiden Weltmeistertitel. Vor allem Norris.
„Wir hatten 2024 ein unglaubliches Jahr als Team. 2025 soll auch für mich persönlich noch erfolgreicher werden“, sagt der Brite. Worte, die viele als selbstverständlich aus dem Mund eines WM-Zweiten ansehen. Doch für den McLaren-Piloten sind sie beachtlich.
Norris hatte in der Vergangenheit mit mentalen Problemen zu kämpfen. Er gibt offen zu, dass er sich zu abhängig von den Meinungen und Erwartungen anderer gemacht und sich dadurch Druck aufgebaut hatte – dem er oft nicht standhalten konnte. Leichtfertige Fehler waren die Folge, die letzten Endes zum Verlust von Punkten führten. „Daraus habe ich gelernt. Ich bin aus meiner Niederlage im WM-Kampf 2024 gestärkt hervorgegangen und ein besserer Fahrer geworden“, sagt der Brite. Das muss er auch sein, wenn er gegen Verstappen bestehen will, der aufgrund seiner nahezu fehlerfreien Fahrweise im Fahrerlager von einigen als „Maschine in der Maschine“ bezeichnet wird.
Ein Duell wird der Kampf um die Fahrerwertung aber nicht. Die Verantwortlichen um McLarens CEO Zak Brown und Teamchef Stella trauen nicht nur Norris, sondern auch ihrem zweiten Fahrer, Oscar Piastri, den WM-Titel zu. Der Australier gilt als Weltmeister der Zukunft. Daran glauben auch Brown und Stella. Erst diese Woche verlängerten sie vorzeitig den noch bis Ende 2026 laufenden Vertrag langfristig. Und Piastri will den Vertrauensvorschuss zurückzahlen: „Ich freue mich, weiter um die großen Preise zu kämpfen. Nach den fantastischen Leistungen des vergangenen Jahres bin ich noch hungriger geworden, an der Spitze zu bleiben.“
Seine größten Konkurrenten neben Verstappen und Norris tragen Rot. Lewis Hamilton und Charles Leclerc haben mit ihrem Ferrari ein titelfähiges Auto, der Rennstall mit dem Pferd im Logo ist aus dem Trab wieder in den Galopp übergegangen. Dennoch gibt es Zweifel. Hamilton ist mittlerweile 40 Jahre alt. Die Frage ist, wie der Brite reagiert, wenn es mit der Scuderia nicht von Beginn an läuft. Die Faustregel besagt, dass ein Fahrer sechs bis neun Monate benötigt, um sich in einem neuen Team einzugewöhnen.
Und Charles Leclerc? Der Fahrer aus dem Fürstentum Monaco ist der Kronprinz von Ferrari – aber kann er sich auch zum König krönen? Leclerc ist schnell, aber auch schnell in der Streckenbegrenzung. Der Dritte der Fahrer-WM 2024 leistet sich viele individuelle Fehler. Die Formel 1 erwartet einen Fünfkampf um die Spitze.
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