Die Küchentechnik hat sich in den vergangenen Jahrzehnten rasend entwickelt. Küchenmaschinen, die beim Kochen anleiten, oder Apps, die helfen, demnächst ablaufende Lebensmittel im Blick zu behalten, wären vor einiger Zeit noch als Science-Fiction betrachtet worden. Nun könnte bald ein 3D-Lebensmitteldrucker in die Küchen einziehen.

Schon jetzt lassen sich damit beispielsweise Kekse auf Knopfdruck herstellen, erklärt der Lebensmitteltechnologe Mario Jekle von der Universität Hohenheim. Der Teig werde in eine Kartusche gefüllt – „und dann kommt ein ganz dünner Faden vorne raus.“

Nach Angaben des Lebensmitteltechnologen ähnelt das Prinzip des Drucks dem eines Baumkuchens: Man trägt etwas in Schichten auf. Der entscheidende Unterschied zur traditionellen Herstellung sei, dass man keine vorgefertigte Form brauche. „Das heißt, ich bin hochgradig flexibel und ich könnte theoretisch jedes Stück, das ich mache, in einer anderen Form herstellen.“ Einzige Voraussetzung bevor gedruckt werden kann: Alles muss erst einmal digital kreiert – also mithilfe eines Computers oder Handys digital vorgegeben – werden.

Jekle forscht schon lange zu diesem Thema. Im vergangenen Jahr hat er gemeinsam mit Kollegen im Fachblatt „npj Science of Food“ einen Überblicksartikel dazu veröffentlicht.

In manchen Unternehmen ist die Technologie bereits Praxis: Beispielsweise könnten in Konditoreien Hochzeitspaare aus Marzipan für Hochzeitstorten gedruckt werden, sagt Jekle. Obwohl diese individualisierten Produkte recht teuer seien, könnte der 3D-Drucker nach Aussagen von Jekle deutlich mehr Verwendung finden. Und zwar insbesondere überall dort, wo es darum gehe, Einzelstücke oder Stückzahlen von beispielsweise bis zu 200 herzustellen. Mit einer technischen Weiterentwicklung seien aber auch noch deutlich höhere Stückzahlen möglich.

Gedruckt werden könne grundsätzlich mit allen Lebensmitteln, die noch keine feste Form hätten, also aus einer Kartusche pressbar seien. Die eigentliche Herausforderung komme nach dem Druck: Denn während das Material für den Druck gewissermaßen flüssig sein muss, soll es danach einen Zusammenhalt bieten, um das Lebensmittel zum Beispiel mit Messer und Gabel verzehren zu können. „Für Spezialanwendungen geht das heute schon“, sagt Jekle. Ein gutes Beispiel dafür sei das zuvor erwähnte Marzipan.

Wichtig für die personalisierte Ernährung

Bei anderen Materialien müsse man sich andere Vorgehensweisen überlegen. Eine Möglichkeit sei zum Beispiel, das Lebensmittel nach dem Druck zu erhitzen: entweder in einem separaten Backofen oder direkt im Drucker in einer Art Backkammer. „Wir haben zum Beispiel einen Drucker, der sich selbst beziehungsweise das Material erhitzen kann“, sagt der Lebensmitteltechnologe. Das sei theoretisch auch für den Heimgebrauch möglich.

Gerade arbeitet Jekle mit seinem Team daran, faserartige Strukturen nachzubilden. Diese würden für Fleischalternativen benötigt. Chancen der Technologie sieht Jekle vor allem mit Blick auf die personalisierte Ernährung. Er ist überzeugt, dass 3D-Druck die einzige Technologie ist, mit der diese Ernährung flächendeckend funktionieren könnte. Eine seiner Zukunftsvisionen ist das pflanzenbasierte Steak, das ein Drucker zu Hause für ihn anrichtet, während er noch auf dem Heimweg von der Arbeit ist.

Dieses Steak wäre individuell auf seine Bedürfnisse abgestimmt und würde die Inhaltsstoffe zum Beispiel daran anpassen, wie viel Sport er gemacht habe und was er am nächsten Tag vorhabe. Je nachdem enthalte das Steak dann zum Beispiel mehr Ballaststoffe, mehr Proteine oder etwas mehr Vitamine. „Das ist eigentlich so der große Benefit vom Lebensmittel-3D-Druck“, sagt Jekle.

Die Technologie biete weitere Vorteile: Zum Beispiel ließen sich Lebensmittelabfälle vermeiden, weil eher nach Bedarf produziert werden könne. Außerdem sei es besser möglich, Inhaltsstoffe, die bei der konventionellen Fertigung von Lebensmitteln als Nebenprodukte entstünden, wieder in die Ernährung zu integrieren.

Daneben böten essbare Produkte aus dem 3D-Drucker grundsätzlich auch im medizinischen Ernährungsbereich Potenzial. Beispielsweise könnte ein gedrucktes - und besonders gekennzeichnetes Produkt - individuell angepasste und dosierte Nahrungsergänzungsmittel oder andere Substanzen enthalten.

Mit der Technologie könne es direkt in Apotheken oder Krankenhäusern hergestellt und an individuelle Anforderungen angepasst werden. Allerdings seien solche Anwendungen unter anderem mit Blick auf die Gesetzeslage sowie die Sicherheit von Patientinnen und Patienten richtigerweise noch mit vielen Fragezeichen versehen, so Jekle.

In Deutschland werden derzeit in verschiedenen Kliniken Tabletten mit einem 3D-Drucker hergestellt und getestet. Zum Einsatz für krebskranke Kinder prüft ein Team am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) derzeit Kautabletten, die als Herz, Stern oder Gummibärchen gedruckt werden können. Die Produkte aus dem 3D-Drucker sind laut UKE süß, schmecken nach Himbeeren und sollen die Kinder vor der Übelkeit durch eine Chemotherapie bewahren.

Sie könnten einmal die üblichen bitteren Tabletten ersetzen, wenn die Studie mit den Kindern erfolgreich verläuft. Einige Kinder fänden den Geschmack der herkömmlichen Produkte so furchtbar, dass sie sie nicht runterbekämen, sagt Oberärztin Beate Winkler. „Für andere sind sie einfach zu groß zum Schlucken.“

Auch ältere Menschen, die mehrere Medikamente einnehmen müssen, könnten von dem neuen Verfahren profitieren. Am UKE gibt es einen Versuch mit Pillen aus dem 3D-Drucker für Parkinson-Kranke. In beiden Fällen kann die Wirkstoffmenge individuell dosiert werden.

Püriertes Essen in Form bringen

Einen positiven Effekt von gedruckten Lebensmitteln erhoffen sich Fachleute auch auf die Ernährung älterer Menschen. In einer Pilotstudie erforschte ein Team um die Ernährungswissenschaftlerin Dorothee Volkert von der Universität Erlangen-Nürnberg vor einigen Jahren, wie man die Technologie in der Geriatrie einsetzen könnte.

Untersucht wurde der Einsatz bei Menschen, die püriertes Essen brauchen - „also Personen mit Kau- und Schluckstörungen, die harte Lebensmittel nicht mehr kauen können“, sagt Volkert. „Mithilfe des 3D-Drucks kann man pürierte Kost wieder gut in Form bringen.“ Wenn etwa eine Bratwurstmasse auf dem Teller wieder die Form einer Bratwurst habe, sei das Essen deutlich attraktiver als ein Püree.

Ein zusätzlicher Vorteil sei, dass pürierter Kost Nährstoffe hinzugefügt werden könnten. „Wir haben damals mit Eiweiß und Fett angereichert, um die Speisen gehaltvoller zu machen.“ So könnten in einem kleinen Nahrungsvolumen mehr Energie und mehr Nährstoffe untergebracht werden. Alte Menschen mit Kau- und Schluckstörungen äßen oft nur geringe Mengen und hätten deshalb häufig Probleme, ausreichend Energie und Nährstoffe aufzunehmen.

Bei 16 Menschen wurde - ebenfalls über sechs Wochen - die Akzeptanz des 3D-Drucks getestet, auch wenn das Team damals mit Silikonformen arbeitete, um Lebensmittel nachzubilden. Denn die Technik sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht weit genug gewesen, um die benötigten Mengen zu drucken.

„Die Resonanz war unheimlich positiv von allen Beteiligten“, sagt Volkert. Außerdem hätten die Studienteilnehmer deutlich mehr Energie und Eiweiß aufgenommen als vorher. Für Menschen mit Kau- und Schluckstörungen sei es ein Vorteil, wenn sie Lebensmittel leichter essen könnten und gleichzeitig den optischen Eindruck wieder mit dem geschmacklichen in Verbindung brächten. Denn das Auge esse ja bekanntlich mit. Eine vegane Lachsalternative aus dem 3D-Drucker könne man schon heute bei einer großen Supermarktkette kaufen.

Jekle geht davon aus, dass sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren vieles entwickeln wird. „Ich glaube, dass es eben auch für den Hausgebrauch ganz interessant wird.“ Spätestens in zehn Jahren werde man solche Drucker einfach kaufen können, prognostiziert der Wissenschaftler.

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