Krebszellen arbeiten zusammen, um Nährstoffe aus ihrer Umgebung zu gewinnen. Das zeigt eine Studie US-amerikanischer und französischer Wissenschaftler, über die im Fachblatt „Nature“ berichtet wird. Dieses kooperative Verhalten ist nicht nur unerwartet, es könnte auch neue Ansätze für die Behandlung von Krebs eröffnen.
Schon lange weiß die Forschung, dass Krebszellen miteinander um Nährstoffe und andere Ressourcen konkurrieren. Mit der Zeit wird ein Tumor auf diese Weise immer aggressiver, so die bisherige Theorie, da er von den durchsetzungsstärkeren Zellen dominiert wird. Jetzt kommt ein neues, für Experten überraschendes Verhalten dazu: Wie andere Organismen, die in der Natur das Überleben ihrer gesamten Art durch kooperatives Verhalten unterstützen, gibt es offenbar auch bei Krebszellen Bedingungen, unter denen sie sich gegenseitig helfen.
Ein Beispiel sind Pinguine, die in eisiger Kälte enge Gruppen bilden, um Wärme zu speichern, oder Hefe-Pilze, die bei Zuckermangel zusammenarbeiten. Ähnlich entdecken Krebszellen die Nächstenliebe, sobald ihre Nährstoffe knapp sind. So zeigt es die neue Studie um den Biologen Carlos Carmona-Fontaine von der New York University.
Eine Aminosäure wirkt wie ein Schalter
Die Forschungsgruppe untersuchte das Wachstum von Krebszellen unterschiedlicher Tumorarten unter verschiedenen Bedingungen. Mithilfe eines robotergesteuerten Mikroskops und einer speziellen Bildanalysesoftware analysierten die Wissenschaftler Millionen von Zellen. Dabei zeigte sich, dass Krebszellen bei einem Mangel an Aminosäuren wie Glutamin verstärkt kooperieren.
„Eine Begrenzung der Aminosäuren kam größeren Zellpopulationen zugute, aber nicht denen, die nur aus wenigen Zellen bestanden, was darauf hindeutet, dass es sich um einen Prozess von Zusammenarbeit handelt“, erklärte Carmona-Fontaine.
Der funktioniere umso besser, je enger Zellen zusammenlebten, und je mehr sich beteiligen könnten. In Experimenten mit Haut-, Brust- und Lungenkrebszellen stellte das Forschungsteam zudem fest, dass eine entscheidende Futterquelle für Tumorzellen Oligopeptide sind, kleine Eiweiße, die aus kurzen Aminosäureketten bestehen.
Sie kommen im Körper als Signalstoffe vor, etwa dann, wenn Hautbereiche sich regenerieren, also die Zellen dort sich teilen sollen. Und sie werden von Körperzellen auch bei Entzündungen, zur Abwehr von Eindringlingen abgegeben – also zum Beispiel dann, wenn sich Krebszellen eingenistet haben.
„Wir stellten fest, dass die Tumorzellen ein spezielles Enzym absondern, das die Oligopeptide in freie Aminosäuren aufspaltet“, erklärte Carmona-Fontaine. Da jener Prozess außerhalb der Zellen stattfinde, entstehe ein gemeinsamer Pool von Aminosäuren, der zum Allgemeingut werde. In der Studie heißt es dazu: „Diese Daten zeigen, dass das kooperative Aufnehmen von Nährstoffen der Schlüssel zum Überleben in der Mikroumgebung des Tumors ist, und offenbaren eine angreifbare Schwachstelle des Krebses.“
Oligopeptide und Gentherapie
Das Forschungsteam testete im nächsten Schritt, ob sich das von den Krebszellen ausgeschiedene Enzym gezielt hemmen ließe, um so das Wachstum von Tumoren zu stoppen. Dazu verwendeten sie das Medikament Bestatin, das bereits in der Krebstherapie als Zusatz zur Chemotherapie eingesetzt wird. Und tatsächlich: Wurde die Enzymfunktion blockiert, konnten die Krebszellen die Oligopeptide nicht mehr verwerten und starben ab.
Zusätzlich nutzten die Wissenschaftler die Genschere Crispr, um das Gen, das als Bauvorlage für das Enzym dient, gezielt auszuschalten. In Experimenten mit Mäusen zeigte sich, dass Tumore ohne dieses Gen deutlich langsamer wuchsen. Der Effekt verstärkte sich noch, wenn die Nährstoffversorgung durch eine gezielte Ernährung mit wenig Aminosäuren eingeschränkt wurde.
„Da wir ihnen die Fähigkeit genommen haben, das Enzym abzusondern und die Oligopeptide in ihrer Umgebung zu nutzen, können Zellen nicht mehr kooperieren, was dann das Tumorwachstum verhindert“, erläuterte Carmona-Fontaine. „Konkurrenz ist nach wie vor entscheidend für die Tumor-Evolution und das Fortschreiten des Krebses, aber unsere Studie legt nahe, dass kooperative Interaktionen innerhalb von Tumoren ebenfalls wichtig sind.“
Die Forscher hoffen, dass ihre Erkenntnisse dazu beitragen werden, neue Krebsbehandlungen zu entwickeln. Die Studie sei „ein konzeptioneller Beitrag, der sich in der Klinik auswirken wird“. Insbesondere eine Kombination aus Enzymhemmung und Ernährungsanpassung, proteinarmer Kost, könnte womöglich ein vielversprechender Ansatz sein, um das Tumorwachstum zu verlangsamen.
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